TAG 2 / VANCOUVER
Sonntag, 14.05.17
Lego in der Kirche
In der Nacht wache ich irgendwann auf, weil mir mein Smartphone auf der Wange klebt, kann aber sofort weiter pennen. Um 7 Uhr sind wir dann beide hellwach – perfekt! Ein Tim Hortons um die Ecke hat schon geöffnet und eine Viertelstunde nach dem Aufstehen sitzen wir in Kanadas Antwort auf Starbucks (wobei es natürlich auch hier jede Menge Starbucks gibt). Krass, wie günstig es bei Hortons ist! Für zwei Bagel mit Frischkäse, dazu noch zwei süße Teile und zwei große Kaffee zahlen wir nicht mal zehn Dollar, das sind unter sieben Euro! Und schmecken tut’s auch noch. Gleich neben unserem Hotel ist ein Fahrradverleih, der auch schon offen hat. Die Drahtesel und Preise sagen uns zu. Wir gehen kurz noch mal rüber um die Rucksäcke und uns warm einzupacken, denn es ist gefährlich bedeckt am Himmel.
Schon anderthalb Stunden nach dem Aufstehen sitzen wir auf dem Sattel und radeln über gut ausgebaute Fahrradwege Richtung Harbour. Auf halbem Weg bewundern wir die anglikanische Christ Church, sonntagmorgen geht man ja schließlich in die Kirche 😉 . Selten so einen gemütlichen und einladenden Gottestempel gesehen. Sogar mit großer Kinderspielecke neben dem Aufgang zum Altar! Im Liederbuch finden sich alle Texte kurioserweise in vier verschiedene indianische Sprachen übersetzt. Wieder draußen checke ich auf dem Smartphone die erste Hochrechnung der NRW-Wahl, zu Hause ist es ja schon 18 Uhr. Passend zum Ergebnisdebakel fängt es an zu regnen.
Shit auf dem Klo
Unter dem großen Dach des Convention Centers am Hafen halten wir an und hoffen, dass es nur ein Schauer ist. Doch nach einer Viertelstunde Starkregen warten wir lieber bei „Mahony & Sons“ gleich hinter uns ab, einem sehr großen etwas edlen Pup. Dort trinken wir Kaffee, beobachten die Wasserflugzeuge und hoffen das beste, aber es scheint sich tatsächlich einzuregnen. Nun ja, das Risiko war uns bewusst. Vancouver hat 200 Regentage im Jahr. Was nun, Räder wieder abgeben? Zumal an den Citybikes keine Schutzbleche sind.
Wir beraten gerade über Plan B, als der Regen plötzlich stoppt und beschließen, es wenigstens zu versuchen. Wir wollen um den Stanley Park herum radeln und wenn es dort regnet, gehen wir eben ins Aquarium, welches sich am Anfang des Parks befindet. Vorher muss ich aber noch auf die Toilette. Beim Händewaschen fällt mir ein Plastiktütchen am Waschbecken auf. Das ist doch … (schnüffel) Gras! Und das nicht zu knapp, locker 20-30 Gramm. Wie ich später lerne, ist es noch verboten in Kanada, wird aber im Sommer 2018 erlaubt. Da ich weder ein Dieb noch ein Kiffer bin, lasse ich es einfach liegen, teile der jungen Bedienung pflichtbewusst „There’s some shit lying around at the sink“ mit und bemerke an ihrem irritierten Blick, dass ich mich ziemlich missverständlich ausgedrückt habe. „Pardon, I meant Weed, of course. Dope.“ Aber sie lacht nicht, erscheint wenig erleichtert und hetzt sofort Richtung Toilette.
Dicke Pötte auf dem Wasser
Wir packen uns dagegen regenfest ein und radeln los. Der Stanley Park ist riesig und liegt auf einer Halbinsel, die vom Hafen und der English Bay, also dem offenen Pazifik, begrenzt wird. Entlang der Seawall führt ein 10 Kilometer langer Rundkurs rundherum. Schon gleich zu Beginn hat man tolle Ausblicke auf die Skyline, den Hafen und natürlich das Wasser und die dicken Pötte, die darauf herumkurven. Der erste Halt ist an einer Art Park, in dem mehrere indianische Totempfähle herumstehen, aus der Jetzt-Zeit, versteht sich. Richtig große Dinger, recht interessant. Und hier kommt dann auch die Sonne raus, es wird direkt angenehm warm. Um das vorweg zu nehmen: Sie wird den ganzen Tag strahlen. Glück gehabt!
Dann kommt auch schon bald die Lions Gate Bridge in Sicht, eine riesige Hängebrücke, gefolgt vom offenen Meer und daran so manchen Sehenswürdigkeiten (siehe Fotos). Eine Tour rund um den Stanley Park ist auf jeden Fall zu empfehlen, ob mit dem Rad oder zu Fuß. Echt schön! Am Westausgang des Parks kommt man an einem supergeilen Freibad mit Pazifikblick vorbei, dass allerdings noch geschlossen hat. Am Anfang der English Bay, einem der Stadtstrände, gibt es den Skulpturenpark „A-maze-ing Laughter“ des chinesischen Künstlers Yue Minjun zu sehen. Witzig und irgendwie irre, diese lachenden Typen, die wohl immer den Künstler selbst darstellen.
Messer auf dem Skateboard
Nach einer kurzen Pause bei den lachenden Metalljungs beschließen wir, die Räder bis morgen zu behalten und einfach weiterzufahren. Immer am Meer entlang geht es Richtung Granville Island, einer weiteren Halbinsel mit großer Markthalle. Da müssen wir aber erst mal hin, nur finden wir den Aufgang auf eine Brücke nicht. Eine nette Anwohnerin hilft uns aus und nach einer Viertelstunde ketten wir die Räder vor der Markthalle fest. Hier ist die Hölle los und auch wenn es eine der größten Attraktionen der Stadt ist – es ist eben eine Markthalle. Groß, viele Essensstände, Obst, Gemüse, Fisch, und Menschen ohne Ende.
Wir besorgen uns einen Mittagssnack und knabbern diesen auf der Sonnenterrasse am Wasser. Vor der Halle schauen wir uns noch die Show eines Straßenkünstlers an, der zum Höhepunkt eine Leiter auf eine wacklige Kiste stellt, darauf ein Skateboard balanciert, sich irgendwie darauf stellt, um dann mit drei sehr langen Dolchen zu jonglieren. Die Fahrt geht weiter entlang der Seawall bis zum Science Center, einer futuristischen Kugel. Dort gegenüber setzen wir uns ans Wasser und beobachten einen Mann, der einfach so aus Spaß riesige Seifenblasen produziert und immer mal ein Schwätzchen hält.
Richtung der futuristischen Kugel gibt es neben Palmen tolle Blicke aufs Stadion und überhaupt auf Downtown und die schneebedeckten Gipfel im Hintergrund. Dann ist die Bay zu Ende und wir gurken weiter in Richtung Chinatown. Mittlerweile ist es kurz vor 17 Uhr. Ein Nightmarket, der dort ab Mitte Mai jeden Sonntag um 17 Uhr starten soll, startet wohl doch noch nicht, dafür macht der chinesische Garten um Punkt 17 Uhr zu. Ansonsten gibt es hier nicht viel zu sehen. Auf unserem Weg zum Ausgehviertel Gastown fahren wir an der Elendsecke dieser ansonsten blitzsauberen und modernen Stadt vorbei. Auch hier gibt es natürlich Obdachlose, Armenküchen und Junkies. Gastown ist kleiner als gedacht und ganz nett. Wahrscheinlich muss man hier hin, wenn es dunkel ist. Der früher mit Dampf betriebene Clocktower, der dem Viertel seinen Namen gab und längst elektrifiziert wurde, pfeift alle Viertelstunde wie ein Dampfkochtopf den Glockenklang von Big Ben in London.
Schreck auf der Seawall
Bald sind wir wieder zurück am Hafen, wo wir unsere Tour vor acht Stunden gestartet haben. Bestimmt eine halbe Stunde schauen wir noch einem ablegenden Kreuzfahrtschiff und den immer weiter startenden und landenden Wasserflugzeugen zu, bewundern noch den Platz vor dem Convention Center und den „Digital Orca“, was im Licht der tiefstehenden Sonne alles ganz toll aussieht. Direkt unter dem Orca kehren wir ins „Tap & Barrel ein, einem großen und witzigen Laden. Die Burger und das Bier (ich glaube 15 verschiedene lokale Biere gab es aus der Zapfe) sind gut. Und die Toiletten witzig, so was habe ich noch nie gesehen. Jedes Pissoir ist in einer einzelnen, abschließbaren Kabine untergebracht. Mit „Privatwaschbecken“ und alles nett durchgestylt.
Genug gepinkelt, der Sattel ruft. Es geht noch einmal Richtung Stanley Park bis zu den Totempfählen. Dort mache ich noch Skyline-Fotos und einen Zeitraffer fürs Video. Mittendrin gibt es einen unglaublich lauten Knall. Erster Gedanke: Explosion! Terror! So bekloppt ist man schon. Verschreckte Gesichter auch beim Rest der Handvoll Touristen, die hier noch herum lungern. Zwei kanadische Teens, die sich an der Seawall einen Joint reinziehen, lachen sich kaputt. Gleich nebenan, hinter der nächsten Kurve, stehe die 9-o’clock-gun, erklären sie. Eine richtig fette Kanone, die jeden Abend um 9 Uhr die Zeit ansagt, ähmn, anschießt. Die haben wir heute Mittag gar nicht gesehen…
Nach einigen Fotos ist es recht frisch und fast dunkel geworden, daber haben unsere Räder gar kein Licht. Schnell also zurück zum Hotel, bevor es ganz duster wird. Dazu suchen wir uns den schnellsten Weg auf Google Maps, der die wohl steilste Straße Vancouvers beinhaltet. Ohne schieben geht nix. Nach einer halben Stunde kommen wir am Hotel an – immerhin ist uns jetzt nicht mehr kalt. Schnell noch ein paar Getränke einkaufen und ab ins Zimmer, der Tag war lang. Die Fahrräder dürfen wir übrigens in unserem Zimmer parken. Zum Glück ist das groß genug. Gute Nacht, Kanada!
My third Blog und dieser Beitrag hier werden gerne gelesen, das verrät mir Google Analytics.
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