TAG 4 / TOKYO
Sonntag 24.04.
Die Kart-Kinder von der Shopping-Mall
Hmn, erst um 8.30 Uhr gehen die Augen so richtig auf – Tschüss Jet-Lag-Vorteil! Heute sollte der Tage der nicht funktionierenden Pläne werden. Einer davon wurde ja gestern schon durchkreuzt, denn eigentlich wollten wir nach dem Frühstück ja zum Sumo-Training gehen (siehe Tag 3). Stattdessen schauen wir am Hanazono Shrine um die Ecke vorbei, denn da soll es Sonntagsvormittags einen großen Flohmarkt geben. Vielleicht liegt es am Regen, aber dort finden sich nur fünf Stände.
Dann besteigen wir eben die Bahn und düsen zur Tokyo-Station. Darin wird vom Lonely Planet die große Ramen-Straße angepriesen, aber letztlich sind das auch nur Nudelsuppen-Läden. Eigentlich ist unser Ziel auch das Tokyo International Forum. Nicht wegen dem heute dort stattfindenden internationalen Gynäkologen-Kongress, sondern wegen der wahnsinnigen Architektur. Das Gebäude ist schon gigantisch und sehr interessant. Davor findet sogar ein Markt statt, der weitaus größer ist als der am Schrein. Als der Regen eine Pause macht, stromert Rebekka darüber, während ich in die „Big Camera“-Filiale gegenüber gehe, um nach einem zuhause vergessenen speziellen Aufsatz für mein Stativ Ausschau zu halten. Den finde ich auch, aber die Preise sind jenseits von gut und böse.
Gegen Mittag klart es ein wenig auf und wir fahren mit der Yurikamone, der Hochbahn ohne Zugführer, auf die künstliche Insel Odaiba. Beim letzten Mal haben wir das Venus Shopping Center dort ganz außen vor gelassen. Dabei ist shoppen gehen doch ein wichtiger Teil der japanischen Kultur. Tatsächlich schlendern viel mehr Japaner als Deutsche zum Abschalten durch Geschäfte, wenn man auch oft nur Kleinigkeiten einkauft. Hauptsache bummeln und kaufen!
Draußen vor dem Shopping-Center gibt es heute wohl eine Kart-Aktion. Immer im Wechsel dürfen eine Reihe unerschrockener Rennpiloten zwischen 5 und 10 Jahren den Start in einem Rennkart üben. Das muss man sich so vorstellen: Erst bekommen die kleinen Piloten mindestens zehn Minuten lang eine Einführung, wie das funktioniert mit dem Gas geben und Bremsen. Dann dürfen sie nach dem Startsignal mit ihren sehr stark gedrosselten Boliden (schätzungsweise 10 km/h schnell) eine etwa fünfzig Meter lange Strecke geradeaus fahren. Natürlich sind sie mit Helm und Schutzkleidung gesichert und zusätzlich ist jedes Kart mit einem Seil verbunden, dass von einem Erwachsenen im Hintergrund festgehalten wird. Das ganze Spektakel dauert keine zehn Sekunden. Was für ein Riesenspaß für die Kleinen! Helikopter-Veranstalter, das.
Natürlich haben wir in dem riesigen Konsumtempel auch ein genaues Ziel: Die Hello Kitty World! Ein megariesengroßes Geschäft ganz in pink, voll mit kitschigem Kram. Leider wird es gerade renoviert. Und wieder ein Plan, der nicht funktioniert. Dafür sehen wir ein nicht viel kleineres Geschäft für Tierzubehör. Neinnein, kein „Fressnapf“, mehr eine Boutique. Es ist schier unglaublich, welche Kostüme, Anzüge und sonstiger Quatschkram für die kleinen Racker angeboten werden (siehe Fotos).
Ein Besuch in Venedig
Im oberen Stockwerk des Venus gibt es dann a taste of Las Vegas. Beziehungsweise a taste of Venice … in Las Vegas … in Tokyo. Vor einem Jahr standen wir staunend in der US-Glitzermetropole und waren baff, wie kitschig und detailverliebt man dort Venedig samt Kanälen und Marktplätzen und natürlich Sonnenauf- und -untergang im „Venetian Hotel“ nachgebaut hatte. Und genau das gleiche Konzept finden wir nun, nur ein bisschen verkleinert, in diesem Shopping Center wieder. Auf einem großen Platz mit Brunnen wartet „Bliss“, ein Pop-Sternchen, auf den Beginn einer Autogrammstunde. Auf der anderen Seite stehen hunderte Fans vor einer Absperrung in Reih und Glied Schlange. Niemand kreischt, quiekt oder hüpft vor Aufregung. Alles ganz geordnet.
Wir verlassen Venedig bald, um noch eine Runde auf dem noch vor einigen Jahren größten Riesenrad der Welt zu drehen. Es liegt gleich gegenüber der Mall und ist 115 Meter hoch. Eine gläserne Gondel wär schön, mit durchsichtigem Boden… Die werden aber gerade renoviert. Nun ja. Die Fahrt ist ganz nett, aber nicht spektakulär. Das mag auch am bescheidenen Wetter liegen.
Gleich nebenan aber, hinter dem Riesenrad rechts quasi, tut sich eine gi-gan-ti-sche Spielhölle auf. Sie hat die Anmutung und das Flair einer Messehalle, nur eben bis obenhin mit Spielautomaten und den beklopptesten Games vollgestopft. Der Lärmpegel ist unbeschreiblich. Wir sind die einzigen Ausländer in diesem Pulk von Cosplayern, Normalos, Eltern mit Kindern, Nerds und einfach Sonntagsausflügern. In einer der unzähligen Greifer-Automaten kann man sich eine Portion getrockneten Tintenfisch angeln und hinter einem reitet ein Junge juchzend auf einem mannshohen Elektrobär vorbei, während links Cosplay-Mädchen mit Fuchsohren und Fuchsschwänzen vor einem Tanzautomat wilde Verrenkungen machen. Da ist es wieder, dieses Blubberlutsch-Gefühl … Übrigens – Fotos sucht man vergeblich, ich habe dort nur gefilmt.
Ein Drink mit Bill Murray
Nach einer Stunde ist es aber genug – totale Reizüberflutung! Außerdem wird es so langsam Zeit, wieder Richtung Shinjuku aufzubrechen. Denn das Park Hyatt – das „Lost in Translation“ Hotel (den Film sollte man kennen) – wartet zum Sonnenuntergang! Genauer gesagt seine New York Bar. Hier wollte ich unbedingt wieder hin, als Fan des Films und als Fan von Bill Murray. Wie es war? Siehe Reisebericht Japan 2014, Tag 6! Genau so und vielleicht noch ein bisschen geiler, weil wir ein wenig länger geblieben sind und ich noch mehr Stellen im Hotel entdeckt habe, an denen der Film spielt. Und es sieht alles noch genau so aus wie bei den Dreharbeiten in 2003!
Leicht angeschickert, um einige Zehntausend Yen ärmer (und ein geklautes Souvenir-Handtuch aus dem Waschraum reicher) geht’s abschließend zum Schnitzel-Restaurant, das wir eigentlich gestern schon ausprobieren wollten. Es gibt Schnitzel (ach ..) mit Kohl, Reis und diversen Saucen. Nun ja, kann man machen …