TAG 6 / NEW YORK CITY
Donnerstag, 26.04.2012
Heute morgen erfahren wir in letzter Minute per Email, dass kein „Big Apple Greeter“ Zeit für uns gefunden hat. Sehr schade. Dann eben ganz in Ruhe noch einmal umdrehen (man muss ja auch mal schlafen) und danach in den fensterlosen Frühstücksraum Treibstoff einfahren. Nach dem gestrigen ersten Morgen in New York haben wir „unser“ Frühstück gefunden. Das Mörder-Gedeck heißt bezeichnenderweise „New Yorker“ und besteht aus 2 Eiern (wie immer man sie wünscht), 5 untertassengroßen Pfannkuchen, 2 gebratenen Würstchen, 2 fingerdicken gebratenen Scheiben Schinken (so groß wie eine Brotscheibe), zwei Scheiben Toast, einer guten Handvoll Bratkartoffeln sowie Butter, Marmelade, Ahornsirup, Saft und Kaffee. Noch Fragen? Danach kann man entweder gleich wieder ins Bett gehen, oder sich bis zum Abend darüber freuen, keinen Hunger zu haben. Wir entscheiden uns natürlich für Letzteres und ziehen um halb elf los. Die erste Station ist heute das Museum of Modern Art. Zum einen ist der Eintritt im City Pass enthalten, zum anderen möchte die Dame gerne dort hin.
Gut, wer mit moderner Kunst viel anfangen kann, erlebt hier in einem der bekanntesten Museen der Welt sein Eldorado. Für mich waren ein, zwei nette bis tolle Sachen dabei, für die meisten Exponate jedoch fehlt mir offensichtlich das Kunstverständnis. Auf jeden Fall war schon vormittags die Hölle los dort. In der Schlange zur Garderobe standen wir locker 15 Minuten an, und abgegeben werden muss quasi alles, außer Kameras. Ja, die darf man mitnehmen! Auch dicke Profiteile. Und damit ordentlich und in Ruhe die gut ausgeleuchteten Exponate abfotografieren, kein Problem! Aber wenn man mal mit einer Mini-Videokamera einen Schwenk durch den Raum macht (ich habe einen kleinen Zeitraffer gedreht) kommt direkt einer der Securitys und klärt auf, dass das Filmen der Kunstwerke verboten sei. Fragt sich, was sich besser verkaufen lassen würde, Kunstdrucke oder Videoclips? Nun ja …
Gegen 14 Uhr verlassen wir das Moma und schlendern über die berühmte 5th Avenue, nicht ohne uns die Nase an den Schaufenstern der teilweise sehr skurillen und überteuren Läden plattzudrücken, sowie deren Kunden anzustarren. Da gab es doch glatt vor „Hollister“ eine Schlange mit Absperrband und Security vor der Tür! Und da standen ’ne Menge Leute an! *Kopfschüttel*
Anschließend stoppen wir an der St. Patrick’s Cathedral und sind verwundert, einen europäisch anmutenden gotischen Dom mitten in New York anzufinden. Eins der Highlights war die Dame am Informations- und „Merchandise“-Stand, die wie aus einem Hollywood-Film entsprungen schien und keine Miene verzog (siehe Fotos). Zwischendurch gönnen wir uns einen kleinen Koffein-Schub bei Dunkin Donuts, bevor wir zur Grand Central Station weiterwandern. Wirklich eine sehr große und schöne Bahnhofshalle. Dummerweise gibt es hier allerdings keinen einzigen Sitzplatz! Sobald man sich auf eine der Stufen niederlässt, kommt auch schon ein Sicherheitsmensch angerannt. Blöd, weil die Füße heute so richtig weh tun. Nutzt ja nix, weiter geht’s. Den Abstecher zum Chrysler Building und zum UN-Komplex schenken wir uns aber aufgrund von Zeitnot, denn für 17 Uhr haben wir Tickets für das Ground Zero Memorial, dass ich auf keinen Fall verpassen möchte (die kostenlosen Besucherpässe sollte man sich vorab hier besorgen).
Wir sind ein wenig zu früh in Downtown angekommen und leider regnet es wieder, aber obwohl die Tickets auf 17 Uhr ausgestellt sind, dürfen wir schon eine halbe Stunde vorher hinein. Also, „hinein“ meint das vordringen zu den verschiedenen Checkpoints. Insgesamt 5x müssen wir das Ticket an verschiedenen Security-Posten vorzeigen und einmal durch die obligatorische Sicherheitsschleuse mit Taschendurchleuchtung. Wieder einmal ganz schön paranoid, aber gerade an dieser Stelle vielleicht auch ein wenig verständlich.
Die Gedenkstätte ist erst einige Monate alt und tatsächlich imponierender und gleichzeitig dezenter, als ich gedacht hätte. Gut, „dezent“ sind die zwei übergroßen Brunnen, die wohl genau an dem ehemaligen Platz der Zwillingstürme stehen und im Grundriss auch deren Ausmaße haben, nun nicht. Aber ich hatte viel mehr Patriotismus und Kitsch erwartet, etwa die Skulptur eines Feuerwehrmanns, der auf Knien weinend einen Teddybär aus dem Schutt fischt oder so was. Aber nein – hier ist es wirklich gelungen, Bombast und Pietät in Einklang zu bringen. Und natürlich ist es beeindruckend wenn man sich überlegt, an welcher Stelle man sich hier gerade befindet. Die Bilder hat wohl jeder noch im Kopf und jeder weiß noch, wo und wann er sie zum ersten Mal im Fernsehen gesehen hat.
Es regnet sehr stark, als wir langsam die beiden Brunnen umrunden, auf deren Umfassung die Namen aller Opfer eingraviert sind. Die obersten Stockwerke der gerade im Bau befindlichen neuen WTC-Türme verschwinden dabei in den tiefhängenden Wolken – irgendwie alles sehr passend. Dabei ist es nicht so, dass hier jeder mit Leichenbittermine herumläuft, wobei doch einige Teenies auszumachen sind, die hemmungslos vor sich hin heulen. Leider ist das „Museum“ der Gedenkstätte noch nicht fertiggestellt, sie wird sicherlich sehr interessant. Das größte „Exponat“ – ein übergroßes Trümmerteil des alten WTC – lässt sich jedoch schon durch die Verglasung entdecken. Langsam verlassen wir die Gedenkstätte wieder und kehren zum „sacken lassen“ und trocknen in die Bar des Millenium Hilton Hotels gleich gegenüber ein. Auch wenn das Bier hier sieben Dollar kostet – man hat einen tollen Überblick über das WTC-Gelände bzw. die Mega-Baustelle. Während ich so aus dem Fenster gucke, muss ich an ein YouTube-Video denken, dass ein Ehepaar am 9/11 aus einem der oberen Stockwerke dieses Hotels hier gedreht hat.
Mittlerweile ist es halb sieben und wir machen uns auf, um an der wundersamerweise damals nicht zerstörten St. Paul’s Church vorbei in die Metro zu hüpfen. Den gestern um diese Zeit nur angeteaserten Bummel durch Chinatown wollen wir heute noch fortsetzen. Dort angekommen dämmert es schon ein wenig. Wir ziehen um die Blocks und fühlen uns wirklich wie in Klein-China. Es wuselt ganz schon um uns herum – Straßenhändler ohne Ende, stinkende Fische in Körben auf dem Bürgersteig, alle Schilder und Beschriftungen auf Chinesisch (und manchmal auch auf Englisch). Auf den Straßen viele Asiaten, zwischendurch ein paar Italiener aus Little Italy nebenan, die sich mit „normalen“ New Yorkern, Touris und ein paar orthodoxen Juden mit Schläfenlocken und Kinderwagen mischen – Multikulti pur.
Bei unserem Streifzug laufen wir an gefühlt 100 Massageläden vorbei (die seriösen! ;-)) und beim 101. werden wir schwach. Für 20 Dollar lassen wir uns eine halbe Stunde in einem kleinen Hinterzimmer-Kabuff die Füße kneten. Dazu tropft eine chinesische Version von „Stille Nacht, heilige Nacht“ gespielt auf einer Schalmei aus den Lautsprecherboxen. Herrlich! In Little Italy suchen wir zum Abschluss des Tages eine Pizzeria, die uns zusagt. Dummerweise ist hier jedes Haus eine Pizzeria und vor jedem Restaurant stehen Einfänger, die einen mit den verlockendsten Angeboten in ihr Lokal quatschen wollen. Wir entscheiden uns für eins der wenigen ohne Einfänger. Die Wände sind gespickt mit Fotos von Promis, die gemeinsam mit dem Patrone des Etablissements im Lokal posieren. Aha, sogar Bill Clinton war schon hier.
Gut, wenn er auch hier gegessen und man sich nicht extra ins Zeug gelegt hat, dürfte er ähnlich enttäuscht gewesen sein, wie wir. Der Teigfladen mit Sparbelag war mit einer Pizza in Italien in keiner Weise zu vergleichen und selbst unsere Italiener in Köln können es besser. Immerhin: Wir sind satt und fahren mit der Metro zurück in unser Borough Queens. Für heute reicht’s auch wirklich – „Impression Overload Error“