TAG 15 / BOSTON – FRANKFURT – KÖLN
Samstag, 05.05.2012
Abreisetag! Was gibt es an einem Abreisetag schon zu berichten? Dass man ein wenig länger schlafen kann als an den Tagen zuvor, weil sich eine Besichtigungstour nicht mehr lohnt, wenn man um zwei Uhr am Flughafen sein und vorher noch den Wagen abgeben muss? Dass der Himmel noch immer grau ist und wir in Boston nicht eine Minute Sonne gesehen haben, es aber trotzdem schön war? Dass man den letzten Bagel mit Creamcheese zum Frühstück fast huldvoll mümmelt und beim Gedanken an Graubrot oder Brötchen erschaudert?
Gegen 12 Uhr checken wir aus, beladen den Mazda und fahren ein paar Kilometer zum nahen Strand, um die letzten beiden Stunden tot zu schlagen. Dem Strand schließt sich eine Parkanlage an, in der ein paar Familien eine Art Barbeque-Brunch abhalten. Über uns dröhnen kleine und richtig große Flieger sehr tief über das Wasser, denn der Flughafen ist nur ein paar Kilometer Luftlinie entfernt. Auch ein Jumbojet ist dabei und ich bin fasziniert, wie riesig dieser Vogel sogar am Himmel aussieht. Gleich sitzen wir auch in einem Jumbo und in etwa zehn Stunden sitzen wir in meinem Auto und rollen von Frankfurt aus nach Köln, während draußen der Sonntagmorgen hell wird.
Um zwei sind wir am Flughafen. Das Abgeben des Mietwagens bei Alamo dauert etwa zehn Sekunden. Vorfahren, Schlüssel abgeben, der Kerl scannt den Aufkleber auf der Windschutzscheibe, ein „Thank you“ und Tschüss. Da wird noch nicht mal geguckt, ob wir wieder vollgetankt haben. Im Terminal müssen wir dann noch ein wenig umpacken, um für jedes Gepäckstück das vorgeschriebene Gewicht zu erreichen. Dann passieren wir die Körperscanner, schlendern noch etwas durch den Flughafen und warten schließlich an unserem Gate auf das Boarding.(Wie ich erst wieder zu Hause mehr durch Zufall lese, hat sich Mohammed Atta, einer der Todespiloten von 9/11, drei Tage vor dem Anschlag bei Alamo am Bostoner Flughafen einen Wagen geliehen. Und am 11.09.01 ging er in Boston durch die Sicherheitsschleuse, die wir auch passierten, um sich zum letzten Mal in ein Flugzeug zu setzen. Sicher – Das ist in den letzten zehneinhalb Jahren vielen Millionen Menschen auch so ergangen, aber irgendwie, so ein kleines bisschen, ist es doch komisch, wenn man darüber nachdenkt.)
Der Flug ist natürlich viel unspektakulärer als der Hinflug, denn es geht ja sofort aufs Wasser. Dafür ist er auch zwei Stunden kürzer von Boston aus. Ich amüsiere mich über den herrlichen „Gott des Gemetzels“ mit Christoph Waltz im Monitor vor mir, lese ein wenig, stehe ab und an auf, langweile mich. Rebekka hört sich stundenlang durch Klavierkonzerte oder schläft. Nach etwa drei Stunden wird es langsam dunkel draussen, wir fliegen der Nacht entgegen.
Nach einem kleinen Nickerchen sehe ich eine gute Stunde vor der Landung auf dem Monitor, dass wir gerade über Irland sind. Wir sitzen wie auf dem Hinflug fast ganz hinten in der Nähe der Toiletten, wo auf einem kleinen Flur noch ein Fenster ist, in das man sich ein wenig hinein lehnen kann und so die beste Sicht hat. Dort werfe ich im vorbeigehen einen Blick hinaus und bin so fasziniert, dass ich erst wieder in den Sitz zurück klettere, als wir Irland passiert haben. Draußen strahlt ein heller Vollmond einige wenige Wolken mit silbrigem Licht an. Unter mir tut sich die schwarze Landmasse Irlands auf, in der immer wieder kleine und große golden leuchtende spinnenförmige Strukturen zu erkennen sind, die aus vielen tausend Punkten bestehen. Straßenlampen, Leuchtreklamen von Pubs, die Autoscheinwerfer später Pub-Besucher, Wohnzimmerfenster, hinter denen das Nachtprogramm im Fernseher läuft vor dem müde Iren auf dem Sofa eingeschlafen sind – all diese Lichter der Dörfer und Städte unter mir leuchten wie ein stillstehendes Feuerwerk zu mir hinauf, während ich in 13 Kilometern Höhe darüber hinweg schwebe. Es ist ein wahnsinniges schönes Bild.
In Frankfurt erwarten uns endlose Gänge, endlich mal ein bleigrauer Himmel und ein verschlafener Fahrer, der uns zu unserem Autoparkplatz bringt. Auf der Fahrt nach Köln halten wir auf halber Strecke an einem Rastplatz, kaufen uns einen Kaffee und ein Croissant, ignorieren die irritierten Blicke an der Kasse, als wir mit Kreditkarte zahlen wollen und blinzeln zurück am Auto ins fahle Morgenlicht. Moment mal – vor elf Stunden standen wir doch noch am frühen Nachmittag an einem Strand in Boston/USA! Reisen ist schon irgendwie verrückt, oder?
Übrigens: Wann geht’s wieder los?
Die „technischen Daten“ dieser 14 Tage
Besuchte bzw. passierte Bundesstaaten:
Virginia
Washington D.C.
Maryland
Delaware
Pennsylvania
New Jersey
New York
Connecticut
Rhode Island
Massachusetts
New Hampshire
Maine
Gefahrene Kilometer:
ca. 1300
Gelaufene Kilometer:
ca. 150