TAG 2 / MONTEREY-PISMO BEACH (CA)
Samstag, 25.04.2015 / Erst wolkig und Regen, 15 °C, dann sonnig 18°C
Um fünf Uhr wache ich das erste Mal auf, drehe mich aber noch mal um. Doch um 06.30 Uhr ist die Nacht definitiv zu Ende. Vor dem Fenster graut der Morgen tatsächlich auch in grau und es regnet. Ach, was soll’s wir haben heute trotzdem Spaß. Den ersten Tag lassen wir uns doch nicht von ein bisschen Regen vermiesen – pöh!
„Vom Regen vielleicht nicht“, tönt die bessere Hälfte. „Aber von einer Blasenentzündung eventuell?“ Kein Zweifel, sie hat’s erwischt, kämpft schon die halbe Nacht damit. Schmerzen, das ganze Programm. Sie kennt das. Zuhause gibt’s dann Antibiotika und es ist schnell wieder alles OK. Nur, die muss man sich beim Arzt holen, das ist hier nicht anders, wie eine schnelle Internetrecherche verrät. Also google ich nicht weiter nach Pharmacys, sondern nach einem Doc.
Um acht Uhr macht eine Gemeinschaftspraxis in Monterey auf, und das am Samstag, nett! Jetzt ist es kurz vor sieben. Wir gehen also erst zur Rezeption, um dort auf Barhockern ein typisch karges amerikanisches Motel-Frühstück einzufahren. Immerhin gibt es Toast, Creamcheese und Kaffee. Die Praxis ist fünf Minuten entfernt. Pünktlich um acht warten bereits zwei Personen vor der Tür. Somit sind wir nicht die ersten, aber immerhin die dritten in der Reihe und es hat aufgehört zu regnen.
Drinnen sind alle sehr freundlich. 200 Dollar kostet der „Eintritt“, nach der Behandlung wird sich die Summe auf 265 Dollar hochgeschraubt haben. Wie gut, dass eine Auslandskrankenversicherung am Start ist, die genau für so einen Kram gerade steht. Trotzdem muss man ja erst mal in Vorleistung gehen bei „kleinen Summen“. Außerdem muss Rebekka unzählige Fragebögen im Wartezimmer ausfüllen, die nehmen das alles sehr genau hier. Währenddessen kommt ein Typ herein gehumpelt, ein Fuß ohne Socke. Er spricht kurz mit der Sprechstundenhilfe, hat einen dicken Splitter im Fuß stecken. Er bekommt auch die Ausfüllbögen und setzt sich. Danach bringt er sie wieder humpelnd zum Counter und es geht wohl um Geld. Nach einem kurzen Gespräch schüttelt er nur den Kopf, murmelt etwas von „Alternative“ und humpelt wieder hinaus. Ja ja, Mr. Obama hat schon Recht mit seiner Gesundheitsreform.
Einer der anderen Mit-Wartenden bemerkt, dass wir Deutsche sind und fängt plötzlich auf Deutsch von seiner Verwandtschaft in Hessen an zu plaudern und das er öfters mal da wäre. Er fragt, wo wir den heute noch hinwollen. Den Highway 1 runter? Ist da heute nicht gesperrt wegen dem Marathon? Schnell checke ich das per Smartphone – das fehlt noch! Zum Glück stellt sich raus, dass der Mann sich um einen Tag vertan hat – der Marathon ist morgen. Puh!
Der Doc selbst ist auch sehr nett, untersucht gründlich, verschreibt wie erwartet Antibiotika und ein weiteres Mittel, das die nervigen Begleiterscheinungen mildern soll. Dann warnt er noch vor Poison Oak. Das gebe es überall an der Küste und wenn man mal in die Büsche müsse, solle man auf diese Pflanze aufpassen, damit man nicht wieder gleich zum Arzt muss. Er druckt uns sogar noch ein Bild aus, damit wir wissen, wie das Zeug aussieht. Und um das vorwegzunehmen: Die Tabletten helfen sehr, sehr gut, der Tag kann quasi ganz normal weitergehen, wenn auch verspätet.
Nach Abholen der Medis in der Apotheke, dem Grundversorgungs-Einkauf und dem Auschecken aus dem Motel ist es schon 11 Uhr, als wir auf dem in Spuckweite zum Motel liegenden 17-Mile-Drive einbiegen. 10 Dollar kostet die Einfahr-Gebühr. Der Ranger am Eingang kann auch nichts übers Wetter berichten und im Internet heißt es, dass es eventuell gegen Mittag aufklart. Aber der Mile-Drive ist auch bei wolkenverhangenem Himmel echt schön.
Und als wir vom Seehund-Felsen aus weiterfahren, reißt plötzlich die Wolkendecke auf und es wird gleich viel wärmer. Um auch das vorweg zu nehmen: Fast den ganzen Tag über haben wir nun herrliches Wetter. Viel Wind zwar, aber wir sind ja schließlich am Pazifik. Und in der Sonne ist es richtig warm. Wir wollen aber ja auch nicht am Strand rumliegen, sondern gucken. Und das kann man hier sowas von gut. Schon der Mile Drive ist eine Wucht. Alleine der Seelöwenfelsen. Aber dann fahren wir auf den Highway 1 …
Zunächst stoppe ich wie geplant am Point Lobos. Der kündigt sich schon vorab an durch Hunderte Autos, die am Straßenrand parken. Am Eingang dann auch das Schild „Parking closed.“ Suchen wir uns auch irgendwo etwas am Rand? Es ist jetzt 13 Uhr und wir rechnen mal fix durch – das schaffen wir sowieso nicht, also weiterfahren. Auf der wunderschönen Strecke gibt es unzählige Viewpoints, immer brav ausgeschildert. Am Anfang nimmt man noch alle mit, realisiert dann aber, dass man für die Strecke bis Pismo zehn Stunden brauchen würde, würde man so weitermachen. Durch den Marathon morgen stehen übrigens an jedem zweiten Haltepunkt schon jetzt ganz frische Dixis bereit. Wie praktisch!
Was für ein schöner Kontrast: Noch vor ein paar Stunden dachten wir: „Oh Gott, und das alles gleich am ersten Tag, das geht ja gut los!“ und jetzt fühlen wir uns wie Königs, schmeißen den extra zusammengestellten Roadmovie-Soundtrack ein und genießen diese herrliche Straße mit ihren Ausblicken. Ein ums andere Mal juchzen wir Ahs und Ohs, während sich unser putziger Mini-Panzer um die Serpentinen windet. Der Julia Pfeiffer Burns Park muss aber unbedingt sein. Was für ein unglaublicher Ort, Paradies pur. Aber nicht nur der märchenhafte Wasserfall, der in den Pazifik klatscht, auch der Trail in den Wald hinein mit dem kleinen Bach und den Wasserfällen ist sehr schön. Und wie das hie riecht!
Zurück im Auto müssen wir jetzt aber wirklich mal ein paar Meilen machen und lassen ein paar Viewpoints schweren Herzens rechts liegen, genießen einfach die Fahrt. Die Landschaft wandelt sich von Irisch zu Spanisch, wird dann wieder Mediterran, aber alles mit der tosenden Kraft des Pazifiks und seinem strahlenden tiefen Blau. Am Viewpoint mit den Seehunden steht die Sonne schon recht tief. Wir gucken diesen faulen, putzigen und müffelnden Kollegen eine Weile lang zu. Unser Motel, das Pismo Ocean Palms, erreichen wir gegen sieben p.m. Der Rezeptionist freut sich als er sieht, dass wir aus Köln kommen. Er sei damals als Ingenieur oft in den Chemiewerken in Köln-Godorf gewesen. Wie er jetzt zu diesem Job hier kommt, sagt er nicht. Wir fragen aber auch nicht nach.
Schnell den Kram ausladen und zu Fuß zum Pier. Wir kommen haargenau richtig zum Sonnenuntergang. Obwohl es jetzt merklich frisch wird, sind immer noch Leute im Wasser, spielen im Sand oder surfen. Die Promenade schließt gleich an den Strand an, ist aber doch sehr touristisch ausgelegt. Na ja, ist eben ein Touri-Ort. Eigentlich wollten wir zum „Splash-Cafe“, das berühmt für seinen Clam-Chowder sein soll. Scheint zu stimmen, denn vom Eingang aus zieht sich eine Schlange bis weit auf die Straße. Nee, wir haben Hunger, oder eher tief nagenden Hoongaarrr! Dann doch lieber gegenüber ins „Cool Cat“. Ein klassischer Diner mit Bar. War eine gute Wahl – die Burger sind groß und lecker und auch die Bierauswahl kann was.
Nach dem Essen atmen wir zum ersten Mal an diesem Tag ein bisschen durch. Alles läuft so irreal und schnell, jetzt schon, nach dem ersten Tag! Wir sind jetzt seit 15 Stunden wach und es kommt einem vor, als wären wir nur ein paar Stündchen unterwegs gewesen. Monate träumt man von diesem Urlaub, plant alles genau aus, sieht sich im Geiste schon den Highway #1 runter fahren, an diesem Aussichtspunkt stehen oder an jenem Motel ankommen – und wenn dann alles wirklich passiert, sind diese Momente – wuuusch – superschnell vorbei und schon bricht der nächste Tag an und es geht weiter. Ein Roadtrip ist für mich wirklich Instant-Urlaub. Man sammelt im Urlaub über Tag in zackiger Geschwindigkeit immer mehr Eindrücke. Und erst Wochen später zu Hause, wenn ich an den Fotos und am Text arbeite, brühe ich das ganze auf und mir wird erst so richtig klar, wo man da alles war und was man da alles gesehen hat. Um 23 Uhr ist auch dieser Tag früh zu Ende. Kaum im Motel angekommen, fallen uns nicht nur sprichwörtlich schon beim Zähneputzen die Augen zu. Mein letzter Gedanke vor dem einschlafen: „Und wenn Du aufwachst, geht’s nach L.A., hi, hi!“
HOTEL-CHECK
Das Ocean Palms Inn in Pismo ist zu empfehlen. Großes Zimmer, großer TV (den wir irgendwie nirgendwo wirklich nutzten), Kühlschrank, riesige, superbequeme Betten, sauber, mit Pool und Frühstück. Wobei letzteres sehr beengt gleich neben der Mini-Rezeption stattfindet und außer Fertig-Teilchen und einem Waffelautomat nichts zu bieten hat.