TAG 5 / TOKYO
Mittwoch, 14.05. / 28°C / erst sonnig, dann bedeckt
So langsam fordert das Power-Sightseeing seinen Tribut. Heute morgen haben wir den Wecker überhört und es so gerade noch zum Frühstück geschafft. Danach nochmal auf’s Bett gelegt und letztendlich erst um 11 Uhr los. Na ja, der Körper muss ja auch mal schlafen. Der Kopf allerdings nicht. Heute wollen wir ein bisschen „urtümliches“ Tokyo und einen Friedhof sehen. Also erst mal den kleinen Hüpfer von Asakusa nach Ueno gemacht. Dort spazieren wir durch den schönen Ueno Park und wundern uns, wo mittags die ganzen Menschen her kommen. Klar, Schuluniformen überwiegen, aber es sind auch sonst sehr viele Menschen unterwegs. Eine schöner Park mit ein paar Schreinen und Skulpturen, wirklich nett.
Zu Fuß kommt man von hier aus gut in den Stadtteil Yanaka, der eben ein Stück „altes“ Tokyo mit kleinen Holz- und Steinhäuschen zwischen kleinen Geschäften und engen Straßen bieten soll – ein normales Wohnviertel eben. Kurz bevor wir richtig in Yanaka eintauchen können und uns auf einer Straßenkarte orientieren, hören wir auf deutsch ein „Hallo, hallo!! Erinnern sie sich!?“ neben uns. Wir schauen ungläubig nach rechts und blicken in das Gesicht von Frau Tomoko, einer unserer Fremdenführerinnen von vorgestern. Sie wohnt noch nicht einmal hier in der Nähe, sondern war nur in der Gegend, um sich eine Kunstausstellung anzusehen. Wir sind alle drei baff über diesen Zufall – und dass in einer 13 Millionen Stadt! „Normalerweise passiert so etwas nie!“, sagt Frau Tomoko. Wir plaudern noch ein bisschen, auch über das Erdbeben gestern. Sie habe dabei an uns gedacht, weil wir doch am Vortag noch über Beben geredet hätten. Dann tauschen wir unsere Visitenkarten aus (wie es hier so der Brauch ist) und verabschieden uns wieder. Sachen gibt’s!
Yanaka ist wirklich putzig, ein kleiner Spaziergang durch die Sträßchen lohnt durchaus. Schnell erreichen wir den Yanaka Cemetary und bummeln anschließend gut anderthalb Stunden über den Friedhof. Über die Totenrituale bzw. die Bestattungsriten der Japaner lesen wir währenddessen alles auf dem Smartphone im Netz nach. Sehr interessant und mal wieder vom optischen wie auch vom geistigen Input her etwas völlig Neues. In der Nähe liegt auch noch der wirklich schöne Tennoji- Tempel mit einem mächtigen Buddha, einem adretten Garten und einer extrem faulen roten Tempelkatze.
Auf dem Weg zur „City“ von Yanaka lernen wir noch kurz ein älteres englisches Pärchen kennen, bummeln ein wenig durch die Läden und erstehen eine Sushi-Box und einen Cronut (klar gibt’s die Dinger inzwischen auch hier). Unseren Mittagssnack nehmen wir sitzend an einer Straßenecke ein. Übrigens Straßenecken: Der Tokyoter hat in der Regel – wen wundert’s – keinen Garten hinter dem Haus. Und vor dem Haus fängt direkt der Bürgersteig oder gleich die Straße an. Trotzdem mag man es blumig. Des Rätsels Lösung: Man bepflanzt einfach die Straße! Laternenpfähle, Begrenzungsgeländer zur Fahrbahn – was auch immer sich anbietet, bekommt eine Efeuranke, ein paar Blümchen oder Palmen beschert.
Anschließend nehmen wir die JR-Linie in den Süden zur Shinbashi-Station, von wo wir aus wir in die Yurikamome Line nach Odaiba umsteigen. Odaiba ist eine künstlich aufgeschüttete Insel mit viel Bürofläche, Unterhaltungsbetrieben und gigantischen Shopping-Malls. Die Yurikamone-Hochbahn ist komplett computergesteuert, kommt somit ohne Fahrer aus und man mit Glück kann ganz vorne im Führerhaus sitzen. Wir kaufen einen Tageskarte mit unbegrenzten Fahrten, weil wir genau das tun wollen.
Wir fahren einmal hin und einmal her, steigen dann an einer der Malls aus. Dort befindet sich auch ein großer Nachbau der Freiheitsstatue, ein aufgeschütteter Strand und man hat einen schönen Blick auf die Rainbow Bridge. In der riiiiesigen Mall stöckeln unzählige It-Girls herum, gleichzeitig aber auch Horden von Schulklassen in Uniform mit überforderten Lehrkörpern im Schlepptau. Viele der Schüler spachteln brav ihr McDonald’s Picknick am Ufer der Tokyoter Bucht, nachdem sie in Reih und Glied die Rolltreppen der Mall bevölkert haben. An einem Pier im Wasser lässt sich ein Hochzeitspaar im westlichen Stil für’s Familienalbum ablichten. Wir beobachten die ganze Szenerie bei einem Kaffe-zum-mitnhemen und dann gilt es schon, Position für die blaue Stunde zu beziehen. Tolle Aussicht, wieder glüht die Speicherkarte in der Dämmerung.
Später wandeln wir suchend durch die nicht enden wollende Restaurant-Etagen der Mall und entscheiden uns letztendlich für einen Italiener, der einen Hammerblick auf Rainbow Bridge und Skyline bietet. Leider ist das Essen nur Kategorie „geht so“. Dafür nicht teuer und bei dem Ausblick … man kann eben nicht alles haben. Recht früh geht’s ins Hotel zurück, weil wir morgen früh zum Fischmarkt wollen – und einfach immer noch platt sind.