TAG 13 / KOBE
Donnerstag, 22.05. / 24°C / heiter bis wolkig
Ausfluuug! Kyoto ist nicht nur toll, sondern auch sehr nahe an anderen interessanten Städten gelegen. Deswegen wollen wir heute noch einmal raus – und zwar nach Kobe. Die Stadt ist ähnlich groß wie Kyoto und hat sich dermaßen an Osaka rangeschmiegt (oder umgekehrt), dass man wie im Ruhrgebiet keine wirkliche Stadtgrenze mehr hat. Kobe ist (leider) bekannt durch ein verheerendes Erdbeben vor knapp 20 Jahren, bei dem viele Tausend Einwohner ums Leben kamen und ein Großteil der Stadt zerstört wurde. Außerdem dürfte einigen Leckermäulchen das gute Kobe-Rind bekannt sein, das teuerste und beste Rindfleisch der Welt. Von den Erdbebenfolgen sieht man natürlich rein gar nichts mehr, wenn man mit der Bahn nach Kobe einfährt. Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit, gerade in Japan. Das Rind hingegen begegnet einem öfters auf der Straße als Tagesangebot diverser Restaurant, aber ich habe es mir trotz tropfenden Lefzen nicht leisten wollen, denn natürlich ist es extrem teuer.
Aber erst noch mal kurz eine Lanze für’s Zug fahren in Japan brechen (ich berichtete ja schon an Tag 8): Von Kyoto nach Kobe sind wir mit der JR-Linie (eine Stunde) gefahren, zurück mit dem Nozomi Shinkansen (halbe Stunde) und waren einmal mehr verblüfft über die Effizienz, die Pünktlichkeit und die Organisation des japanischen Bahnsystems. Alles läuft immer absolut punktgenau… das einfahren des Zuges, das Reinigungspersonal, das immer sehr disziplinierte Einsteigen der Fahrgäste, die genauen Fußmarkierungen auf dem Bahnsteig für jede einzelne Tür (und der Zug hält wirklich genau da), das Personal im Zug und überhaupt. Beinfreiheit auch in der Holzklasse, Sitze fast zu Schlafsitzen machen, die Sauberkeit, Waschbecken zwischen den Wagen, Raucherkabinen, günstige Snacks im Verkauf, oder Details wie kleine Taschen auf der Rückseite der Kopfpolster – So kann man sozusagen ins Polster seines Vordermanns seine Fahrkarten einstecken und muss nicht immer auf den Schaffner warten, falls man mal ein Schläfchen halten oder durch den Zug spazieren möchte. Ich könnte mich über das Thema noch stundenlang freuen.
In Kobe Bahnhof angekommen, wechseln wir gleich auf die regionale JR-Linie und fahren noch ein paar Statiönchen zum Stadtteil Suma. Der dortige Strand, der Suma Beach eben, ist bei den Einheimischen sehr beliebt, auch wenn er als hafennaher Stadtstrand natürlich nicht der Schönste ist. Trotzdem: Wir wollten – wenn auch nur kurz – mal am japanischen Meer stehen, die Bucht von Tokyo gilt ja nicht so richtig. Die Bahn hält direkt am Strand und einige Schüler in der typischen Uniform steigen mit uns aus, ist ja auch schon Mittag. Wir lassen uns in den Sand plumpsen und genießen die Sonne, während die Teenies sich hinter einem selbstgebastelten Sichtschutz umziehen – Schuluniform aus, Leggins, T-Shirt, Überziehjäckchen für die Mädels, T-Shirt und kurze Hose für die Jungs an. So gehen die dann ins Wasser, komplett bekleidet! Dem lustig in den Fluten spielenden und gegenseitig um sich werbenden Jungvolk schauen wir eine Weile zu, dann gehe ich mal nach Muscheln für die heimische „Muscheln aus aller Welt“-Kollektion gucken, anschließend steigen wir wieder in die Bahn.
Unser Reiseführer empfiehlt das Viertel Kitano-Hills als sehr sehenswert. DAS Viertel, dass die Lebensqualität und Schönheit Kobes am Besten zeigen soll. Jut, schaun wir mal. Oben auf den Hills angekommen, wirkt alles sehr europäisch. Kein Wunder, hier haben früher Diplomaten gelebt und sich Wohnhäuser wie im guten alten Europa oder Amerika bauen lassen. Eines ist sogar „Rhenania“ beschriftet. Es stehen natürlich längst nicht mehr alle, aber die, die es noch gibt, sind teilweise zu besichtigen und die Japaner fahren voll drauf ab. Wie sie ohnehin auf alles abfahren, was irgendwie mit Europa zu tun hat.Vor allem Frankreich scheint das absolute Land der Träume zu sein oder ist wenigstens momentan sehr chic und angesagt. Irgendwo (vor allem hier) sieht man immer eine Boulangerie, einen Eiffelturm, eine Frankreich-Flagge oder ein Restaurant mit Namen „Chez Irgendwas“. Als mich beim vorbeiflanieren an der Außenterrasse eines Cafés der europäisch aussehende Kellner mit einem herzlichen „Bonjour Monsieur“ begrüßt, wird’s mir zu komisch. Europa hab ich zu Hause. Und Kitano Hills ist jetzt auch mitnichten so hübsch, wie unser „Lonely Planet“ es uns weiß machen will. Nää, lass mal. Wohin jetzt?
Ganz in der Nähe war doch noch diese Seilbahn, zu der man von hier aus hinlaufen konnte … Richtig, immer in Richtung der JR-Station Shin-Kobe laufend, erreichen wir bald eine sehr modern aussehende Seilbahn, die nicht nur auf den Berg, sondern dort zu einem Kräutergarten führen soll. Aha, hmhn, rein da! Die etwa achtminütige Fahrt ist toll! Man sieht nicht nur Kobe, den Ozean und immer höher gleitend auch Osaka und mehr, sondern bekommt tatsächlich einen Hauch „Bergfeeling“ geboten. Nach der tollen Aussicht auf dem Gipfel gelandet, steht man dann in Disneyland. Na ja, zumindest in der europäischen Version eines Gartens oder so, wie man sich den hier eben vorstellt. Kleiner Dorfplatz, hübsche Häuschen und am Hang mit Spazierweg zum hinab flanieren ein hübsch angelegter Blumen- und Kräutergarten. Hübsch, nett, zuckersüß und mit Europa-Gedudel aus Lautsprechern auf dem „Dorfplatz“. Schnell einen Automatencafé trinken, die Aussicht genießen und wieder runter hier.
Auf der Seilbahnfahrt entdeckt man im übrigen einen sehr großen, sehr schönen Wasserfall. Den soll man sich (wieder laut „Lonely Planet“), „gleich hinter der Station“ Shin-Kobe ansehen können. wir laufen hinter die Station und da steht sogar ein Schild zum Wasserfall. Dann geht es durch eine verlassene und verrammelte kleine Wohnsiedlung auf brüchigen Straßen den Berg hinauf, aber nach 15 Minuten und einer verwirrenden Ausschilderung geben wir auf. Wir haben ihn ja von oben gesehen. Außerdem wimmelt es hier vor Raupen, sie hängen von Bäumen auf die Wege hinab, kriechen zu Hunderten über den Teer, sammeln sich an Brückengeländern. Man tanzt mehr als man geht, um keine zu zertreten. Aber hübsch bunt sind sie. Zurück in der Station Shin-Kobe lösen wir am frühen Abend ein Ticket für den Shinkansen und ziehen ein kurzes Fazit: Wir hätten vielleicht doch die neue Hafen-City in Kobe besuchen sollen. Wobei, mal am Strand zu sein und die Fahrt auf den Berg war schon toll.
In 29 Minuten bringt uns der Zug nach Kyoto, es wird schon dunkel. Den spacigen Hauptbahnhof von Kyoto haben wir uns noch gar nicht richtig angesehen, das holen wir jetzt nach. Man kann mit einer nicht enden wollenden Rolltreppe, die an einer langen LED-Treppe vorbeiführt, die Bilder und Text projizieren kann, bis auf das Dach fahren. Dort ist alles begrünt und man hat eine schöne Sicht auf Kyoto von oben.
Als wir uns satt gesehen haben, steigen wir in die Metro. Dieser Tag wird würdig durch einen erneuten Besuch im „Chi Fa Ya“ (siehe Tag 10) beim „All-you-can-eat-do-it-yourself-Barbecue“ abgeschlossen. Aber dieses Mal 120 statt 90 Minuten 😉 Hicks!