TAG 1 / EIFEL-WEDEL
20.08.2007
Ich bin schon mit einem komischen Gefühl aufgestanden. Irgendetwas außerplanmäßiges hatte ich im Morgenurin. Beim Vermieter des Womos angekommen war dann auch schnell klar, was. Eigentlich hatte ich mit einem Adria „TwinTop“ gerechnet, den ich schon mal geliehen hatte und der absolut ausreichend ist. Leider lag bei der Buchung wohl ein Mißverständnis vor, denn ein frischgeputzter Adria „Club“ wartete auf mich. Gerade mal 5000 km drauf, blank gewienert und etwas günstiger als mein gewünschtes Womo. Dafür natürlich kleiner (zwei Leute hier drin würden gar nicht gehen), ohne feststehenden Tisch mit Sitzbank (ich muss jedes mal diesen %&$!-Tisch aufbauen), ohne Sat-TV und ohne Markise. Dafür aber (komischerweise) mit einem leicht bequemeren und wenige Quadratzentimeter größeren „Bad“ – ist zumindest mein Eindruck. Nunja. Die Tour sollte sowieso mein erster „Solo-Urlaub“ werden. Ich dachte anfangs, das fehlende TV sei das schlimmste (am 22.08. spielt England-Deutschland in Wembley!), gefolgt von der Markise und dem Tisch. Inziwschen (ich schreibe dies hier am Abend von Tag 2) nehme ich alles zurück. Der Tisch!! Jedes mal umbauen, wenn man am Tisch sitzen möchte, ist sowas von umständlich!
Egal – ich höre auf zu nölen und fahre mal fort. Nach dem üblichen vergesseneseinkaufenundwomoeinladen-Prozedere ging es – natürlich später als geplant – um 15 Uhr los. Aber erst, nachdem ich noch mal beim Vermieter vorstellig wurde, weil der Kühlschrank einfach nicht funktionieren wollte. Groß helfen konnte man mir da auch nicht, der würde schon laufen, ich bräuche nur ein wenig Geduld. OK, sie hatten Recht. Auf Gas läuft alles prima und wird auch kalt wenn man ein paar Stündchen wartet. Aber sobald man auf Strom umstellt, taut er plötzlich wieder ab bzw. wird warm. Wie auch immer, ich kann die (zum Glück beiligende) Bedienungsanleiung des Teils jetzt auswendig und … et läuuuft. Bei der doch recht eintönigen Fahrt nach Wedel in die Nähe von Hamburg hielt mich „Malerische Morde“, dass neue Hörbuch vom guten Ralfi Kramp (ein bisschen Werbung für den alten Mann möge erlaubt sein), wach. Erstaunlich war, dass ich in der Eifel bei 14°C und Fast-Regen losfuhr und um 20 Uhr bei etwa 22°C und Sonnenschein ankam. Wedel liegt ca. 20 km westlich von Hamburg entfernt. Ich wollte dort meine erste Nacht-Zwischenstation verbringen, um mir das „Welkomm-Höft“ anzuschauen und abends eine Bekannte aus Hamburg zu treffen, die mit der S-Bahn nach Wedel kam. Das Treffen und die dazugehörigen Bierchen liefen am Campingtisch vor dem Womo ab – Im T-Shirt und mit Wetterleuchten. Was für ein bekloppter Sommer. Es ging darauf schnell in die Heia und ich muss ja sagen – prächtig geschlafen! Die Bettstatt in meinem Womo kann schon was.
TAG 2 / WEDEL-RØMØ
21.08.2007
„Na, so ein Kaffee und dazu eine leckere Zigarette sind doch was Feines, nicht?“ Oh oh… Nachbar-Alarm! Ich habe ja überhaupt nix gegen einen netten Plausch mit einem Nachbarn auf einem Womo-Stellplatz. Gar nichts – Im Gegenteil. Aber nicht am frühen Morgen, beim ersten Kaffee und nachdem ich ein dreckiges 25-M-Stromkabel aufgerollt, den Tisch von tausenden Mückenleichen befreit habe und noch nicht auf Klo war. Lange Rede, kurzer … Ich kenn jetzt zwar immer noch nicht den Namen des guten Mannes, dafür aber seine komplette Familien- und Berufsgeschichte, wie und warum er mit dem Rauchen und Trinken aufgehört hat, usw. Ihr kennt solche Leute.
Gegen 10 Uhr stehe ich am „Willkomm-Höft“. Eine sehr spaßige Sache. Hier werde alle Schiffe begrüßt bzw. verabschiedet die in den Hamburger Hafen hinein- oder herausfahren. Auch wenn zwischen Wedel und Hamburg noch ein paar Seemeilchen liegen, steht hier in Wedel eben diese Begrüßungsanlage, warum auch nicht. Jedes Schiff über 500 Bruttoregistertonnen bekommt einen akustischen Gruß in Form von einem immer gleichen Standard-Liedchen (allerdings in der Sprache des jeweiligen Landes) und der Nationalhymne. Als ich gerade ankomme, sehe ich vom Womo aus drei große Pötte vorbeifahren und höre diverses Gedudel im Hintergrund. Als ich dann im strömenden Regen auf dem Höft stehe, kommt natürlich eine dreiviertelstunde lang keine einzige Nussschale vorbei. Dann bekomme ich aber doch noch die Hymne von Panama und Holland zu hören und ein paar Fotos geschossen.
Um zwölf geht es ab in Richtung Dänemark. Noch ein kurzer Tankstopp (ich bin Autogas gewohnt – Was Diesel kostet ist ja der Hammer ! 😉 und los über Flensburg nach Waterworld. Kurz hinter der Grenze Raucherpause und das symbolische Euro-in-Kronen-Austauschen in der Brieftasche. Die Landesgrenze scheint im übrigen auch die Regengrenze zu sein. Es ist „nur noch“ extrem bedeckt über mir.
Gegen 15.30 Uhr komme ich am Damm zur Insel Rømø an, nachdem ich mir geschworen habe, nie wieder „kürzeste Strecke“ bei der Routenplanung meines Navis auszuwählen. Die „schnelleste Strecke“ wäre sieben Kilometer länger, aber ich sicherlich auch eine halbe Stunde früher da gewesen. Nunja, habe ich wenigstens mal ein paar Feldwege kennengelernt, die hier offiziell noch als normale Straße gelten. Dänische Provinz ist halt eben auch nix anderes als Eifel – nur mit mehr Schlaglöchern und ohne Teerbelag. Auf dem Damm nach Rømø nehme ich meinen ersten Geocache mit. Schön einfach.
Wenige Kilometer später fahre ich auch schon auf der Insel ein. Mein Ziel ist der Lakolk-Camping, aber vorher natürlich der Strand. Als Lakolk rechts an mir vorüber gezogen ist, sehe ich die Autos vor mir auf Sand fahren. Links und rechts Dünen und plötzlich Verkehrsschilder im Sand. Ja, wirklich – hier ist der Strand befahrbar! Jeder sucht sich seinen Parkplatz selber aus – da wo er möchte. Die ganz Wagemutigen fahren den drei Kilometer breiten (!) Strand geradeaus bis direkt ans Meer.
Ich bin völlig begeistert. Ich meine, ich fahre einfach so auf Strand rum! Ist schon ein komisches Gefühl, aber auch sehr geil. Der Sand ist total fest und gute befahrbar, trotzdem halte ich lieber noch etwa 100 Meter Abstand zur Brandung. Es wär doch sehr peinlich und nervig, sich hier festzufahren. „Hallo, Herr ADAC? Ja, ich bin im Sand steckengeblieben. Kurz vor der Brandung. Gerade kommt die Flut, vielleicht könnten Sie ein wenig schneller als gewöhnlich …“
Ein kurzer Strandspaziergang und ein paar Fotos später kommt tatsächlich die Flut, aber von oben. Der Regen fällt waagerecht und in solchen Massen, dass der Scheibewischer kapituliert (ich bin natürlich wieder schnell ins Womo zurückgeflüchtet).
Also ab zum Lakolk-Camping. An der Rezeption die erste „Feindberührung“. Aber das nette Mädel spricht fließend Deutsch. Nachdem ich mich als fast 33jähriger sehr geschmeichelt fühle, dass Sie mich sofort geduzt hat (wie oft bekomme ich einen Hals wenn mich jüngere siezen!) fällt mir wieder ein, dass das „Sie“ im dänischen so gut wie nie genutzt wird. Egal. Ich beziehe meinen Platz und spule das übliche Camping-Programm runter. Kochen, Spülen, Aufräumen, Duschen. Es gibt lecker Tortellini, bei denen ich mir eine DVD anschaue. Meine Laptop-DVB-T Antenne erkennt zwar einige dänische Sender, will sie mir aber partout nicht anzeigen. Pöh! Die sanitärischen Einrichtungen direkt neben meinem Stellplatz ziehe ich der Dusche meine Womo-Naßzelle vor. Wirklich zu empfehlen sind die Camping-Duschen hier aber nicht. Bei ein, zwei Bierchen fange ich danach so langsam an, dies hier zu tippen. Und jetzt hab ich auch keine Lust mehr.
TAG 3 / RØMØ – VEJERS STRAND
22.08.2007
Immer noch bedeckt, aber trocken! Nach Frühstück, betanken des Frischwassertanks und Enstorgung meiner organischen Abfälle bin ich gegen halb elf auf dem Weg nach Ribe, Dänemarks ältester Stadt, die nur etwa 30 km entfernt liegt. Also wieder ab aufs Festland. Vor den Toren der Stadt liegt ein Parkplatz, der wohl nur für Campingwagen und Womos gedacht ist. Von hier sind es zehn Minuten Fußweg bis ins Zentrum. Auf dem Parkplatz bemerke ich etwas, das mich den ganzen Tag hindurch begleiten wird: Deutsche Nummernschilder. Ich wundere mich, wo all die Dänen abgeblieben sind. Auch im Zentrum von Ribe finde ich sie kaum, bis auf eine plärrende Schulklasse vorpubertierender Teenies, die kreischenderwiese durch die Gassen ziehen. Apropos Gassen: Ich erkunde die Stadt mit einem Geocache, der schön gemacht ist und einen an die wichtigsten Sehenswürdigkeiten führt. Angefangen beim für eine Stadt dieser Größe riesigen Dom über die kleinen, verwinkelten Sträßchen bis hin zum kleinsten Haus Ribes (da kann man wohl grade drin stehen) und einem schönen Klostergarten. Dummerweise schaffe ich die letzte Station, den eigentlichen Cache, nicht, weil ich mich bei irgendeiner der Aufgaben verzählt haben muß. Egal, die Stadtführung war trotzdem schön. Während meiner Tour in Ribe fängt es immer mal wieder an zu pladdern. Nicht wirklich viel, aber ausreichend um naß zu werden. Der dänische Regen kommt übrigens anscheinend immer in Etappen, nicht nur in Ribe, sondern überhaupt. Aber gerade dort ist es mir aufgefallen. Komischerweise decken sich diese Etappen mit dem herausholen meiner Kamera. Immer, wenn ich nach einem Zwei-Minuten-Schauer meine Kamera trockengeputzt und wieder startklar habe, fängt der Regen wieder an. Packe ich sie weg, hörte es auch auf zu pladdern. Nachdem ich dieses Spiel ein paar mal beobachtet habe, mache ich mir einen Spaß draus, die Touri-Massen dabei zu beobachten. Kamera raus – Regenschirme raus. Kamera rein – etc … Irgendwann höre ich auf damit als ich merke, dass ich mir damit selbst in den Hintern kneife und immer nasser werde.
Also wenige Fotos aus Ribe, auch gut. Die wirklich schöne Stadt wird mir, am Rande bemerkt, von einem kleinen Mädchen und ihrem mutmaßlichen Papa ein wenig versaut. Irgendwo in diesen ganzen Gassen ist wohl ein Fest und irgendeine D-klassige Coverband spielt dort auf. Am Mikro eine schätzungweise zehnjährige Göre, deren Stimme schlumpfartig quiekt und ein etwa 50jähriger Sack, der dazu die zweite Stimme „singt“. Auf dem Programm stehen Pop- und Rocknummern der 50er bis 80er. Und obwohl ich die beiden nie zu Gesicht bekomme, begleitetet mich ihre wunderschöne, sicherlich nicht nur an meine Schmerzgrenze gehende, „Performance“ in jeden noch so hintersten Winkel der Stadt, wobei die Lautstärke je nach Windrichtung variiert. Zurück auf dem Parkplatz sehe ich zum ersten Mal die dänische Sonne. Auf einmal ist sie da und sofort wird es richtig warm. Also ab auf den Bock und wieder 30 km weiter in Richtung Esbjerg. Die fünftgrößte Stadt Dänemarks ist nicht wirklich sehenswert, weil hauptsächlich Industriestandort mit großem Hafen. Das sagen meine diversen Reiseführer, und nachdem ich kurz am Fischereihafen geparkt habe, sage ich das auch.
Nach fünf Minuten Aufenthalt geht es ein paar Kilometer aus der Stadt heraus zu meinem eigentlichen nächsten Ziel, den „Mennesker ved Havet“, einer Steinskulptur mit vier Kollegen, die auf das Meer hinausstarren. Nichts weltbewegendes, aber sehenswert und wirklich groß. Ausserdem ein schönes Fotomotiv. Die letzte „größere“ Strecke führt mich zum Blavands Huk, dem westlichsten Punkt von Festland-Dänemark. Nachdem ich letztes Jahr auf dem östlichsten Punkt stand und in ein paar Tagen der nördlichste Punkt erreicht werden soll, muss ich mir das natürlich geben. Ausserdem wartet dort ein schöner Strand mit Leuchtturm. Die Sonne ist inzwischen wieder in Wolken eingepackt, die aber trocken bleiben. Bevor ich den Blavands Fyr (Leuchturm) erreiche, muss ich durch Blavand selbst, einer Retorten-Ortschaft erster Kajüte. Auf dem Weg dorthin Wald, Heide, Einöde. Zehn Kilometer lang. Dann plötzlich direkt hinter dem Ortsschild Menschenmassen. Und alle deutsch! Ich meine alle!! In ganz Blavand habe ich ein dänisches Nummernschild gesehen. Dafür aber fünf Supermärkte. Edeka, Spar und sogar Schlecker (der alte Monopolist). Viele Schilder vor den Geschäften oder Ferienhäusern sind auch auf deutsch. Bei einem Imbiss, den ich mit dem Womo passiere, schalte ich leider nicht schnell genug für ein Foto. Ich glaube, der Besitzer hat sich einen kleinen Scherz erlaubt, weil er in irgendeinem Angebot auf der Tafel ein „ss“ in altbekannter, seit etwa 62 Jahren verpönter, Runenschreibweise drauf gemalt hat. Also, um es kurz zu machen: Blavand ist Renesse in hässlich. Wer schon mal in dem holländischen Badeort war, weiß Bescheid.
Am Blavands Huk bzw. dem Blavands Fyr kämpft sich die Sonne wieder minutenweise durch das Grau und ich spaziere zum Leuchturm und durch die lilagrüne Heidelandschaft an den Strand. Hübsch hier. Der Wind gibt vielen Drachenfreunden ordentlich Treibstoff und es schwimmen sogar einige. Am Strand entdecke ich die ersten versandeten Bunker des Atlantikwalls und nahe dem Leuchtturm steht eine weitere große, alte Anlage. Ich vermute einen Flakbunker oder eine Geschützstellung, die an dieser exponierten Stelle aufs Meer ausgerichtet war. Zurück im Womo wird der Campingplatzführer gewälzt. Eigentlich will ich heute frei stehen, aber mein Handy erinnert mich an das Spiel heute Abend. England gegen Deutschland im neuen Wembley-Stadion. Muss ich haben! Und dank dem fehlenden Fernseher muss ein Camping mit TV her. Am Vejers Strand, wo ich sowieso noch hin wollte, findet sich einer. Nach 20 km dort angekommen, begrüßt mich eine essende Kleinfamilie in einer Rezeption, die gleichzeitig den Supermarkt und wohl auch das Esszimmer der Platzwarte darstellt. Aber sehr nett, die Frau. Während ich auf meinem Platz einparke, knallt die Sonne vom Himmel. Ein wunderschöner Untergang derselben kündigt sich an. Es wird Zeit für ein kombiniertes Mittag- und Abendessen. Lecker Würstchen mit Bratkartoffeln und Gurkensalat, man gönnt sich ja sonst nichts.
Danach die Premiere – meine erste Dusche im Womo! Die Duschen auf dem Camping wollen Duschmarken, die hab ich aber nicht und die Rezeption ist inzwischen geschlossen. Klappt aber ganz gut – ich bin begeistert! Jetzt noch zwei Bier geschnappt und ab zum kleinen TV-Raum, den der Platzwart mir netterweise offengehalten hat, weil ich bei meiner Ankunft bereits das Spiel erwähnt hab. Nunja, hat sich ja auch gelohnt. Ich sitze ganz allein in dem Räumchen, dass auch gleichzeitig als Spielzimmer und Warenlager herhält. Der Camping ist klein und wer hier guckt, der tut dass im Wohnwagen. In der Halbzeit kommt der nette Mr. Platzwart und fragt, ob alles OK sei. Dann drückt er mir drei Schlüssel in die Hand. „Hier, wenn Du fertig bist schließt Du bitte ab und bringst mir die Schlüssel morgen beim auschecken mit“. Na, soviel Vertrauen in die Menschheit will ich auch mal haben! Pünktlich zum Abpfiff (1:2 – yes!!) fängt es an zu gewittern und bis gerade im Moment (01:00) hat es geschüttet wie aus Eimern. Plötzlich herrscht auf einmal Stille. Sagt mir was Ihr wollt, der Regen hier in DK ist ein anderer. Und jetzt reichts auch für heute. Wenn es nicht so gepieselt hätte, wäre mein Textanfall weitaus kleiner ausgefallen, ich bin nämlich müde. Aber bei dem Krach auf dem Blechdach hätte sogar ich nicht einschlafen können.