Spannende Südstaaten – USA 2017 / Tag 9

Samstag, 4.11.2017
/ Vicksburg – Memphis /

In einer echten Südstaatenvilla in einem über 150 Jahre alten Bett aufzuwachen hat schon was. Erst recht, wenn die Sonne dabei durch die bodentiefen Fenster hereinscheint und man trotz geschlossener Zimmertür schon gebratenen Speck schnuppert …

 

Wie bei Muttern
Oh ja, Ms. Jessie hat aufgetischt. Ich erwähnte ja schon gestern, dass es sich hier in diesem phänomenalen B&B in Vicksburg ein bisschen so anfühlt, als wäre man zu Besuch im Hotel Mama. Doch das Frühstück war die Krönung dieses Gefühls.

Über den Flur gehen wir gleich gegenüber ins Esszimmer und werden schon freudig von unserer Gastgeberin begrüßt. Auch ein nettes älteres Paar sitzt dort, dass wir bei der Ankunft kurz kennen gelernt haben (ich glaube die beiden kamen aus Colorado oder Kansas).

Der Tisch ist mit altem Porzellan und Silberbesteck gedeckt, auch die Gläser sehen nicht unbedingt günstig aus. Ms. Jessie fackelt nicht lange und tischt auf: Gravy, Rührei, Bacon, Würstchen, irgendein südstaatentypisches Kartoffelgehamse und einen großen Dessertbecher Joghurt und Beeren.

Wir bedanken uns loben die tolle Präsentation des Frühstücks, doch als ich hungrig zur Gabel fassen möchte, ernte ich einen strafenden Blick. „In ma house there’s a prayer befo‘ every meal!“ Okay, Ms. Jessi. Sorry. Wir fassen uns also alle artig bei den Händen und lauschen einem kurzen Tischgebet unserer Gastgeberin. Nach einem abschließenden „Amen“ versinken wir versonnen in ein kleines Gaumenfeuerwerk. Alles ist köstlich, wie nicht anders zu erwarten war. Während des Frühstücks ergibt sich natürlich ein Plausch mit den anderen beiden Gästen, der aber zum Glück kein angestrengter Small-Talk ist, sondern sich zum interessanten Gespräch entwickelt.

 

Das Belle of the Bends in Vicksburg (mehr Fotos siehe gestern)

Rassismus lebt
Als Ms. Jessie in der Küche fertig ist, setzt sie sich zu uns. Irgendwann frage ich, wo eigentlich die Hochzeitsgesellschaft mit dem 80-jährigen Bräutigam geblieben ist, die sie uns gestern angekündigt hat. Sie druckst ein wenig herum, doch dann platzt es aus ihr heraus. Um die Story kurz zu machen: Die Hochzeit fand gestern in Vicksburg statt und der Sohn des Bräutigams hatte drei Zimmer im Belle of the Bends für seine Familie gebucht. Bei der Buchung hatte Ms. Jessie angegeben, dass die Zimmer im ersten Stock liegen und eine Treppe nach oben führen würde, das Haus allerdings keinen Fahrstuhl habe. Das sei völlig in Ordnung, habe es geheißen, alle seien gut zu Fuß.

Als die Gesellschaft dann gestern Abend zum Einchecken vorbeikam – wir waren zu dem Zeitpunkt gerade im Restaurant – sei sie nicht weiter als bis zum Flur vorgedrungen. Das mit der Treppe nach oben ginge ja gar nicht und man wolle den Besitzer oder Manager sprechen. Als sie sich als Manager des Hauses vorstellte war für Ms. Jessie sofort klar – hier geht es nicht um die Treppe, hier geht es um sie. Bei einer Schwarzen im Haus schlafen? Eine Schwarze, die ganz alleine als Managerin eines B&B fungiert? Das war keine Option für diese offenbar erzkonservative Südstaatenfamilie. Sie weigerte sich, ihr Zimmer zu beziehen. Worauf Ms. Jessie bedauerte und ihnen eine andere Unterkunft in Vicksburg organisierte. „Was hätte ich tun sollen?“, fragt sie schulterzuckend.

Doch jetzt noch bebt ihre Stimme ein wenig, als sie vom gestrigen Abend erzählt und man kann ihre Wut förmlich spüren. So was sei ihr in all den Jahren nicht untergekommen. Wir sind baff und ein wenig geschockt, dass es so etwas tatsächlich noch gibt. Es folgt ein sehr interessantes Gespräch über den heute immer noch vorhandenen Rassismus in den Südstaaten.

Irgendwann lenkt Ms. Jessie vom Thema ab und kommt noch auf den Hausgeist des Belle of the Bends zu sprechen. Es existiert sogar ein Foto, dass sie uns stolz zeigt. Eine uralte schwarz/weiß- Aufnahme des Hauses, auf der tatsächlich an einem der Fenster eine schemenhafte Gestalt zu erkennen ist. „That’s George, the ghost!“ Manchmal könne man ihn wirklich hören.

 

Peabody Hotel in Memphis – der Duckmaster steht bereit

Viereinhalb Stunden für ein paar Enten
Unsere Unterkunft in Memphis (Hotel-Check wie immer am Tag der Abreise, also morgen) liegt Downtown, wirklich mittendrin. Je näher wir dem Hotel kommen, umso schäbiger und menschenleerer wird die Stadt. Wir sind erstaunt – obwohl wir natürlich vorher wussten, dass Memphis keine schöne Stadt ist.

Mit dem Hotel haben wir dagegen wieder einen Volltreffer gelandet. Das La Quinta Inn&Suites ist ein Neubau, der kein halbes Jahr zuvor eröffnet wurde. Das dritte „fast neue“ Hotel dieses Urlaubs. Der Empfang ist nett, das Zimmer logischerweise nicht nur flammneu und modern, sondern supergemütlich. Wir laden nur kurz ab und ziehen anschließend zu Fuß zum zehn Minuten entfernten Peabody Hotel. Einem alteingesessenen und weit bekannten Luxusschuppen mit einer Besonderheit: den Enten.

Damals, in den 1930ern, kehrte der Peabody-Chef vom Jagen zurück. Allerdings ohne Beute, nur mit den Enten, die er als Köder dabei hatte. Eine Bourbon-geschwängerte Nacht später hatte er mit einem Freund die Idee, die Enten doch mal in den Hotelbrunnen der Lobby zu setzen und zu schauen, ob sie sich betragen. Taten sie. Und es kam, wie es (in den USA) kommen musste: Die Enten wurden Kult und sehr bekannt. Später kam ein „Duckmaster“ hinzu, der sie in Uniform jeden Tag um 11 aus dem Aufzug über den roten Teppich zum Brunnen geleitet und dort um 17 Uhr wieder abholt. Wieder über den Teppich , wieder in den Aufzug. Hinauf aufs Dach, wo die Peabody-Enten in einer kleinen für 170.000 Dollar nachgebauten Lobby leben. Alle drei Monate werden sie ausgetauscht, damit sie sich nicht zu sehr an Menschen gewöhnen.

Das Amt des Duckmasters gibt es heute noch. Was heißt Amt, es ist ein Vollzeitjob. Wohl der einzige seiner Art weltweit. Als wir um kurz vor fünf am Peabody ankommen, ist die Lobby zum Bersten gefüllt. Die Entchen tüdeln ihre Runden im Brunnen und Punkt fünf steht der Duckmaster in roter Uniform dort und erzählt die Geschichte der Enten, die er anschließend zum Aufzug führt. Der ganze Spuk dauert keine fünf Minuten, der Gang der Enten vielleicht eine. Wow. Was für eine Attraktion. Viel interessanter zu sehen ist, was die Menschen draus machen und welcher Hype darum entstanden ist. Amerika eben 😉

 

Beale Street @ night

Eine Pyramide mit Sümpfen und zu Gast bei B.B. King

Gleich um die Ecke vom Peabody ist die Beale Street. DIE Ausgehmeile in Memphis. Die Atmosphäre gefällt uns viel besser als auf der Bourbon Street in New Orleans. Auf der Beale gibt es weniger billige Partyschuppen als vielmehr wirkliche einladende Bars und Blues-Clubs. Wir laufen einmal durch und gehen zurück zum Hotel, denn es soll noch fix zur Memphis Pyramide gehen.

Eine knapp 100 Meter hohe Pyramide aus Glas und Stahl direkt am Mississippi-Ufer, die einmal eine Veranstaltungshalle war. Doch seit einigen Jahren residiert in dem verrückten Bau ein Bass Pro Shop. Ein Outdoor-Laden für Angler, Jäger und Camper. Mittendrin eine Südstaaten-Sumpflandschaft mit Teichen, Alligatoren und Enten. Zehn Aquarien mit 1800 Fischen und einen künstlichen Wasserfall gibt es auch noch. Ganz oben unter der Spitze findet dazu noch ein Hotel und ein Restaurant Platz. Die „Zimmer“ der Hotels sind teilweise Blockhütten, von deren Terrasse man von oben auf das Treiben in der Pyramide blickt. So einen Laden kann es auch nur in diesem Land geben. Wir staunen ordentlich, vor allem über die riesige Waffenabteilung. Gerne würden wir auf die Plattform in der Spitze, um im Sonnenuntergang auf Memphis zu blicken. Leider ist die aber heute Abend wegen einer privaten Veranstaltung geschlossen. Dafür erhalten wir zwei Frei-Gutscheine für den ansonsten acht Dollar teuren Ritt nach oben. Nett, dann kommen wir eben morgen wieder.

Zurück im Hotel machen wir uns fein und dann geht es zurück auf die Beale Street. Zum Abendessen wählen wir den B.B. King’s Blues Club. Der Laden ist richtig groß und das Original – Der gute B.B. Hatte zu Lebzeiten noch weitere Filialen im Land mit seinem Namen bedacht. Aber das hier ist eben die Hauptstadt des Blues und so gibt es in diesem Club wie in vielen anderen jeden Abend Live-Musik. Zwei richtig gute Bands bekommen wir mit, dazu ist das Futter sehr lecker und reichhaltig. Wir bleiben knapp drei Stunden und ein paar Bier dort, schlendern dann noch mal über die Beale Street. Mittlerweile ist richtig viel los und ein massives Polizeiaufgebot ist aufgezogen. Zwei Streifenwagen nebst Besatzung stehen pro Straßenecke bereit. Scheint hier normal zu sein an einem Samstagabend.

Im Hotel wurde uns gesagt, dass wir die zehn Minuten Strecke von der Beale Street zurück nachts nicht zu Fuß, sondern mit dem Taxi zurücklegen sollten. Das wäre sicherer. Ich frage einen der sich langweilenden Cops, ob er auch der Meinung ist. Nee, sagt der, passt schon. Keine Sorge. Also spazieren wir zurück und fallen bald ins Bett.


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Sorry übrigens für die Fotoqualität an diesem Tag. ich habe mich teilweise nur auf meine kleine Bridge-Kamera verlassen. Hätte ich nicht tun sollen.

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