TAG 5 / L.A.-TWENTYNINE PALMS (CA)
Dienstag, 28.04.2015 / Sonnig, 25-30°C
Uaaargh! Guten Morgen L.A., guten Morgen Sonne! Für bisherige Verhältnisse haben wir mal richtig ausgeschlafen und pellen uns „erst“ um 08.30 Uhr aus den Betten. Frühstück gibt’s im „Solar de Cahuenga“ gegenüber. Echt gut! Dann ist – nach einem kleinen „Wo ist verdammt noch mal der Reiseführer“-Suchspiel – auschecken und aufsatteln angesagt. Die Tagesetappe soll uns heute bis zum Joshua Tree Nationalpark führen. Ab jetzt heißt es für einige Tage Tschüß große Stadt und Hallo Wildnis. Aber was L.A. angeht sind wir sicher, dass es uns noch einmal wiedersehen wird. Man hat im Vorfeld ja so einiges gelesen, oft war es negativ. Dreckig, Stau, zu laut, unübersichtlich, nichts zu sehen, etc. Uns hat Los Angeles richtig gut gefallen!
Aber bevor es so richtig auf den Highway geht, halten wir in Downtown noch kurz an der Walt Disney Concert Hall an. Die möchte Rebekka sich unbedingt noch anschauen. Direkt davor findet sich ein Parkplatz, allerdings in einer „gelben Zone“. Ich bleibe also lieber am Auto, während die bessere Hälfte sich das architektonische Meisterwerk aus der Nähe ansieht. Nach einer guten Viertelstunde kehrt sie mit einem leicht entrückten Lächeln zurück und berichtet, dass ihr an der Halle ein Kolibri genau vor die Nase geflogen und ein wenig vor ihr in der Luft gestanden sei. Sieht man ja auch nicht alle Tage, so einen Kolibri.
Fast überhaupt nicht durch irgendwelche Staus beeinflusst, führt uns die zweieinhalb Stunden lange und landschaftlich interessante Strecke über die Schnecken-Highways nach Joshua Tree. Highlight auf der Fahrt sind sehr große Felder voller Windkraftanlagen neben dem Highway, die kein Ende zu nehmen scheinen. Und das Thermometer klettert unaufhörlich.
Kurz bevor wir den westlichen Eingang zum Nationalpark erreichen, biegen wir in Joshua Tree, also dem Ort selbst, links ab auf eine staubige Piste, die direkt in die Wüste führt. Eine Minute später liegt sie vor uns, die „Rancho de la Luna“. So wie ich vorgestern in Van Nuys unbedingt kurz am „Sound City“ Studio halten musste, will ich auch hier kurz grüßend meine Mütze lupfen und ein Foto machen. In diesem kleinen Häuschen mitten in der Pampa sind ebenfalls schon großartige Platten entstanden. Ich sag nur Kyuss, Queens of the Stone Age, die Desert Sessions, Fu Manchu und andere. Wer sich im weitläufigen Bereich Stonerrock auskennt, weiß Bescheid. Die L.A.-Folge von „Sonic Highways“ (der Doku-TV-Serie von Dave Grohl zum gleichnamigen Foo Fighters Album) spielt übrigens zu einem großen Teil in der Rancho. Dort haben die Foos auch den Song „Outside“ aufgenommen und das Video gleich neben der Rancho gedreht. Lustig, dass ich hier jetzt gerade stehe, denn die Folge sah ich zwei Wochen vor dem Urlaub. Das Gelände zu betreten oder gar mal zu klingeln fiele mir natürlich im Traum nicht ein, schließlich lebt der Besitzer auch dort. Aber es scheint einige zu geben, denen das egal ist – wie die viersprachigen, selbstgepinselten Schilder zeigen („Zutritt verboten, bitte respektieren Sie unsere Privatsphäre, keine Ausnahme!“)
Nach den zehn Minuten Rock-Historie machen wir den Katzensprung zum Westeingang des Joshua Tree Nationalparks und schauen uns das Visitor Center an. Ein sehr netter Ranger kringelt uns auf einer kostenlosen Karte die besten Sehenswürdigkeiten ein und erzählt viel dazu, nimmt sich auch richtig Zeit für unsere Fragen. Na dann Flip Flops gegen Wanderschuhe tauschen und auf in die Wüste! Erster Stopp: das Hidden Valley. Ein kleiner Rundwanderweg, der (mit Wasser) gut zu schaffen ist, auch wenn wir auf dem Rückweg einmal kurz desorientiert sind, denn die Beschilderung ist nicht immer ganz logisch. Oder wir sind blind. Und da hier momentan kaum jemand außer uns unterwegs ist, können wir uns auch an niemandem orientieren. Das Valley ist toll, die Joshua Trees sind toll (wieder so ein „So etwas habe ich noch nie gesehen“-Moment) und die Stille ist überwältigend.
Anschließend fahren wir zum Keys View. Alleine die Strecke dorthin ist atemberaubend. Wie in Autofahrer-Country offensichtlich üblich, kann man quasi direkt vor dem Keys View parken. Die Aussicht ist extrem … weit! Von hier aus kann man Palm Springs sehen, die mexikanische Grenze erahnen und sogar richtig gut den San Andreas Graben erkennen, welcher die nordamerikanische Platte von der pazifischen Platte trennt und immer mal wieder für ordentliches Grummeln in der Erde sorgt. Hier oben steht man auf 1600 Metern Höhe und hat einen grandiosen Blick über all das, was im Foto niemals so wiedergegeben werden kann. Ich sehe auch eine Verkehrsmaschine, die offensichtlich vor ihrem Anflug von Palm Springs noch eine Runde dreht. Ein surreales Bild, da sie so nah erscheint.
Was kann das jetzt noch toppen? Der Skull Rock jedenfalls nicht. Ein Felsen wie viele hier, der eben in einem bestimmten Winkel ein wenig wie ein Totenkopf aussieht. Na ja, ganz nett. Die Fahrt dahin bietet weitaus schönere Ausblicke. Vom Skull Rock aus düsen wir noch zum Cholla Cactus Garden. Absolut lohnenswert! Ein schöner kleiner Trail führt durch die Kakteenlandschaft, Schilder erklären ein wenig die Vegetation und ihre Besonderheiten. Hier halten wir uns auch lange auf. Nachdem wir uns satt gesehen haben, fahren wir Richtung Osteingang, um dort den Park zu verlassen. Gleich dahinter liegt Twentynine Palms, wo wir unser Motel beziehen wollen. Fazit zum Joshua Tree NP: Da woll’n wir nochmal hin! Irgendwie außerirdisch und wunderschön.
Es ist schon halb sieben, als wir am Harmony Motel ankommen (Bewertung siehe unten). Zum einen war das hier eine der günstigsten und am besten bewerteten Unterkünfte auf Tripadvisor, zum anderen ist es das Motel, an dem U2 anno 1986 einige Fotos für ihr Album „The Joshua Tree“ geschossen haben. Wie sie wohl auf den Albumtitel gekommen sind? 😉
Der Empfang der Besitzerin ist etwas unterkühlt, vielleicht hat sie einen schlechten Tag. Eigentlich wäre es schön, noch kurz in den Pool zu hüpfen, aber die Sonne steht schon sehr tief und wir haben Kohldampf! Wir folgen der Empfehlung der Motelbesitzerin und begeben uns ins wenige Meilen entfernte „The Rib Co.“ an der Hauptstraße des Ortes. Gute Entscheidung! Wir sitzen auf einfachen Plastikmöbeln draußen an der Straße, links von uns dampft der Smoker vor sich hin, vor uns rauschen die Trucks durch die Wüste und es scheint nur einheimisches Publikum zu geben. Die Bedienung ist super freundlich und für einen Schnack zu haben, es gibt ein gutes Bier und Fleischgerichte zum niederknien. Wer hier einmal aufschlägt, sollte unbedingt das Pulled Pork probieren!
Zurück am Motel erledige ich noch ein noch nie gesehenes riesiges Insekt im Zimmer und wir sitzen noch ein wenig vor der Tür bei einem Bier.
HOTEL-CHECK
Hmn, ja, zwiegespalten. Das Harmony Motel ist natürlich schon ein kultiger Ort, nicht nur wegen U2. Auch ist alles irgendwie old-fashioned, pastellig, kitschig und „historisch“. Immerhin stammt es aus den 1950ern. Beim Rundgang und beim zeigen des Zimmers wird man darauf hingewiesen, immer die Tür geschlossen zu halten („We’re in the desert. And you dont want to have some of it’s wildlife in your room!“) Lustig nur, dass der Putzmann beim saubermachen eines anderen Raums die ganze Zeit die Tür offen stehen lässt. Egal – die Zimmer sind groß, das Bad winzig und die Dusche eher eine dunkle, schmale Nische. Kühlschrank gibt’s nur in einem Aufenthaltsraum, den alle nutzen dürfen. Sauber war’s oberflächlich gesehen schon. Aber mir persönlich – wenn auch in den USA üblich – war der Teppich im Zimmer zuwider. Dann auch noch in einem Muster, auf dem man garantiert kein Kriechzeug erkennen könnte. Es war das einzige Motel, in dem mich mich auf der Tour nicht wirklich wohl gefühlt habe und ich würde beim nächsten Mal woanders pennen. Kult hin, Kult her.