Reisebericht USA Ostküste/Eastcoast / Tag 12

TAG 12 / ROCKPORT – SALEM- BOSTON
Mittwoch, 02.05.2012

Wuhuu, schon in der Nacht gibt der Regen auf! Krass, ich konnte sogar einmal kurz den Mond am Firmament erkennen, als ich mich mit zwei Sweatshirts bekleidetet zur Gute-Nacht-Zigarette nochmal raus getraut habe. Kalt ist es natürlich trotzdem noch, auch morgens, als wir unsere Sachen zusammen kramen und ich mich wohl oder übel von einigen alten Kleidungsstücken trennen muss, damit wir die Koffer schließen können. Wohlweißlich habe ich sowieso fast nur alten Kram dabei, den ich ohnehin bald aussortiert hätte. Auch wenn shoppen ursprünglich nicht geplant war (vor allem in dem Ausmaß) – Man kann sich ja trotzdem vorbereiten 😉 Tony verspricht, meine Klamotten dem Roten Kreuz zu übergeben. Überhaupt ist er richtig nett, dieser Tony. Für Rebekkas üblen Bauch hat er uns den Rest eines bayrischen Kirschwassers geschenkt, dass er mal aus einem Deutschlandurlaub mitgebracht hat. Und als er sieht, dass ich mir in einem Liquor-Store eine kleine (Plastik)flasche Jim Beam geleistet habe, kommt er gleich mit Gläsern angerannt („You can’t drink that out of a plastic bottle!“). Die „Bearskin Neck Motorlodge und Rockport an sich sind auf jeden Fall wärmstens zu empfehlen und auch recht günstig – nur das Wetter kann man eben leider nicht buchen.

„Perfect Storm“-Hafen in Gloucester

Gestern haben wir uns dann noch entschieden, schon heute nach Boston zu fahren, obwohl wir eigentlich erst übermorgen dort hin wollten und vorher noch für eine Nacht ein wenig die Küste hinauf nach Norden. Aber lieber bei bedecktem Himmel mit Regenrisiko und Temperaturen um 10°C eine interessanten Großstadt erkunden, als noch einen Tag in der Vorsaison an der Küste zu verbringen. Nach einem gemütlichen kleinen Frühstück, wieder im „Beans & Leaf“, düsen wir los ins nur eine Stunde entfernte Boston. Vorher wollen wir einen Schlenker durch Salem machen. Aber schon nach sieben Kilometern halten wir das erste Mal an, um uns Gloucester ein wenig genauer anzusehen. Vor einigen Monaten noch haben wir den Film „The Perfect Storm“ mit George Clooney und Mark Wahlberg gesehen, der hier spielt und auch hier im Hafen gedreht wurde. Viel erinnert im allerdings nicht mehr an den Film. Ein alter Fischer, der gerade an irgendeinem Stück Holz arbeitet, erklärt uns, dass die Filmcrew damals ziemlich viel umgebaut habe und hier vieles anders aussah. Aber die Stelle an der wir uns hier befinden sei genau die richtige, hier seien viele Szenen gedreht worden. Ganz abgesehen von dem winzig kleinen Hauch Hollywood der hier weht, ist der Hafen von Gloucester ein schön abgeschrebbelter und sehenswerter Ort.

Salem ist durch die einzigen Hexenverbrennungen auf amerikanischen Boden Ende des 17. Jahrhunderts bekannt und rühmt sich heutzutage eine Art Grusel & Horror-Hauptstadt zu sein. An Halloween mag das ja stimmen, aber an einem normalen Werktag im April finden wir hier nur eine normale Kleinstadt an der Ostküste vor. Das legendäre „House of seven Gables“ hat, nun ja, sieben Giebel, mit Gruselatmosphäre nicht wirklich viel zu tun und kostet zudem 12,50$ Eintritt. Sparen wir uns. Ebenso wie das „Witch Museum“, da es von der Fassade schon anmutet, als wäre es direkt dem Phantasialand entsprungen. Nö, dann doch lieber schnell nach Boston. Unser Hotel (siehe Ende Tag 14) ist schnell gefunden und wird für tauglich befunden. Also schnell die Koffer ins Zimmer geworfen und los.

Boston Commons

Die nächste Subway-Station ist keine fünf Minuten Fußweg entfernt und bringt uns nach fünf Stationen ins Zentrum zur Park Street am Boston Common, der zentralen Parkanlage in der Innenstadt (und der ersten der USA). Wir spazieren zuerst durch die Grünfläche und anschließend durch den angeschlossenen Public Garden, den ersten öffentlichen botanischen Garten der USA. Überhaupt werden wir in den nächsten Tagen noch oft darauf gestossen werden, dass Boston in vielem die älteste bzw. erste Stadt der USA ist/war. Aber sehr nett angelegt, das alles hier. Im Hintergrund sieht man die im Vergleich zu New York putzige Skyline. Nach dem durchqueren des Public Gardens schlagen wir uns rechts den Berg hinauf. „Beacon Hill“ nennt sich dieses Viertel, in dem roter Backstein, Gußeisen und verdammt wohlhabende Mieter vorherrschen. Die teilweise richtig steilen Straßenzüge stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und vor den Türen parkt fast ausschließlich die Oberklasse aller Nobel-Fahrzeugmarken, die man sich so denken kann.

Im Schaufenster eines Maklers sehen wir, dass der Kaufpreis eines mittelgroßen Appartements hier zwischen 1,5 und 2 Millionen Dollar losgeht. Am Louisburg Square verrät uns unser Reiseführer, dass wir gerade am Wohnhaus von John Kerry, der bei der Präsidentenwahl 2004 George W. Bush unterlag, vorbeiflanieren. Der Mann passt hierher vom Ambiente. Auch die Acorn Street, die älteste Straße des Viertels mit grobem Kopfsteinpflaster, ist sehenswert und angeblich die meistfotografierte Straße ganz Amerikas. Gegen 19 Uhr lassen wir die Reichen Bostoner und ihre Ehefrauen (die am frühen Abend in Scharen die bergigen Gassen rauf- und runter joggen) hinter uns und landen wieder im Commons. Hier schlendern wir ein wenig rum, bis die blaue Stunde angebrochen ist, damit ich in der Umgebung ein paar Aufnahmen machen kann. Ich mag es nicht so sehr, bei bleigrauem Himmel zu fotografieren. Alles wirkt bei blauem Himmer schöner, und wenn es den eben nicht gibt, muss man bis zur Dämmerung warten.

Park Street Church

Nachdem alles im Kasten ist, latschen wir die Beacon Street entlang, um der Hausnummer 84 einen Besuch abzustatten. Dort residiert … das „Cheers“! Bostons und wenn nicht gar Amerikas berühmteste Kneipe aus der gleichnamigen Sitcom, die von 1982 bis 1993 gedreht wurde und auch heute noch immer mal wieder im TV zu sehen ist. Ich habe „Cheers“ geliebt und umso spaßiger finde ich es, am Eingang des Originals die Treppe runterzugehen, mich an einen Tisch zu setzen und aus den original Krügen das leckere Bostoner Samuel Adams zu schlürfen.

Die Kneipe ist natürlich randvoll mit Memorabilia, Fotos und Zeitungsausschnitten aller Art und immer wieder kommen Leute rein, die sich schon am Eingang von ihren Begleitern fotografieren lassen. Dabei diente der Laden damals nur als Vorlage für das „Cheers“ der Sitcom und nur die Außenaufnahmen wurden hier gedreht. Mit einer Ausnahme, denn die Kneipe hat zwei Stockwerke. Im ersten, dem im Keller, befindet sich der originale Pub, der früher „Bulls&Finch“ hieß. Im ersten Stock gibt es dann noch eine Bar, die der aus der Sitcom schon zum Verwechseln ähnlich sieht. Darin wurde die komplette erste Staffel produziert, bevor man schließlich nach Hollywood umzog. Zum Abendessen bestelle ich – klar – den „Norm Burger“.

Wer Cheers und Norm kennt, kann in etwa erahnen, was einen erwartet. Ein etwa 20 cm hoher, doppelstöckiger Burger mit jeder Menge Käse und frittierten Zwiebelringen, serviert an Pommes. Und ja, ich hab ihn geschafft (bis auf eine Brötchenhälfte, zugegeben). Aber man ist gnädig mit mir: Nach dem Essen bekomme ich das offizielle Zertifikat mit den Worten „Here you are – something for your fridge“ überreicht. Es weist mich als Bezwinger des Norm-Burgers aus. Zusätzlich werde ich in die „Hall of Fame“ im Internet eingetragen. Ich fühle mich sehr geehrt (und habe Sodbrennen). Bei ein, zwei Verdauungsbieren erklärt uns die nette Bedienung dann noch die Baseballregeln, denn auf den Bildschirmen läuft das Match der Boston „Red Sox“ gegen Oklahoma. Dabei wird sie von ihrem männlichen Kollegen an der Tür ausgelacht. Trotzdem – wir verstehen es halbwegs. Nach dem „Cheers“ können wir um 22 Uhr nur noch zur Subway wanken.

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