TAG 1 / KÖLN – GENUA – BASTIA – CALVI
12.09.10
Gestern Abend haben wir uns um 19.15 Uhr in Köln auf den Weg gemacht. Es ging über Karlsruhe und Freiburg in die Schweiz (Plakette nicht vergessen!), dann über Basel und den Gotthardtunnel nach Italien und über Mailand bis Genua, wo wir um 04.45 Uhr am Hafen ankamen. Die Fähre geht zwar erst um 09.00 Uhr, aber man muss anderthalb Stunden vorher da sein. Unser Sicherheitspuffer war offensichtlich trotzdem zu großzügig bemessen. Nachts sind die Autobahnen natürlich schön frei und bis auf zwei kurze Tank- und Kaffee-Stopps, einmal bei Freiburg und einmal im Tessin, sind wir durchgeknattert.
Die Einfahrt zum Fährhafen ist noch mit einem Gatter verriegelt, also reihen wir uns in eine kleine Warteschlange von fünf Autos ein, die noch früher da waren als wir. Nach einem kleinen Schwätzchen mit den vor uns Wartenden gönne ich mir ein Stündchen Schlaf im Auto, bis um 06.00 die Tore öffnen. Entgegen allem, was ich vorher von chaotischen Verhältnissen beim Einschiffen gelesen habe, läuft alles reibungslos. Uns wird von zahlreichen Posten der Weg gewiesen, dreimal wird unser selbst ausgedrucktes Internet-Ticket verlangt, wir bekommen verschiedene Aufkleber aufs Auto und stehen dann auch schon in der Warteschlange. Immer noch knapp anderthalb Stunden warten! Also ein improvisiertes Frühstück am Kai mit Blick auf den Sonnenaufgang. Doch, schon merklich wärmer hier im Süden.
Ich bummle ein wenig herum um ein paar Fotos zu machen. Als die Fähre pünktlich um halb acht anlegt, wird es dann doch noch leicht hektisch. Verfahren kann man sich zwar logischerweise nicht, aber die Einweiser auf dem Schiff kennen kein Pardon. Da ist nichts mit zögern, es bleibt keine Zeit, um sich über den Rückspiegel sorgen zu machen. Endlich in der finalen Parkposition angekommen entern wir die „Freedom“ der Moby Lines und suchen die Rezeption, um unseren Kabinenschlüssel zu erhalten. Diese ist in 1980er Style gehalten und besteht aus zwei Kojen, einem großen Bullauge und einem leicht siffigen Plastikbad mit Dusche. Nicht zu vergessen das Nachttischradio am Kopfende des Bettes, das immer wieder wichtige Nachrichten übermittelt, zum Beispiel die Öffnungszeiten sämtlicher Bordrestaurants etc. Dreisprachig, laut, alle fünf Minuten und nicht abschaltbar! Zwei Pflaster und eine dicke Lage Tempos lassen die Stewardess schließlich nur noch murmeln statt schreien. Noch vor dem Ablegen schlafen wir tief und fest.
(Wie wir nach unserer Heimkehr erfuhren, passierte genau an dieser Stelle des Hafens von Genua zwei Wochen später ein tragisches Unglück bei der Ankunft einer Moby Lines Fähre. Ein junges Paar aus Deutschland befand sich mit seinem Auto gerade auf der Rampe, als das Schiff aus ungeklärten Gründen plötzlich einen Satz nach vorne machte und sich zwischen Rampe und Hafenmauer ein Spalt von zehn Metern auftat. Das Paar konnte nicht mehr bremsen, stürzte ins Hafenbecken und ertrank in seinem Auto.)
Um 12 klingelt wieder der Wecker, drei Stunden müssen reichen, schließlich wollen wir noch etwas von der Fahrt mitbekommen. Die Fähre bietet nichts spektakuläres, außer den üblichen Verlustigungs- und Nahrungsangeboten zu Mondpreisen. Der Kaffee hingegen ist erschreckend günstig und dafür auch noch sehr lecker. Ich konsumiere ihn ausgiebig an Deck, stecke die Nase in den Wind und schaue so lange vorbeirauschenden Inseln, Schiffen und bunten Quallen zu, bis das Cap Corse und schließlich unser Zielhafen Bastia in Sicht kommen. Beim Beobachten des Anlegens fällt uns ein, dass wir ja noch die Sachen in der Kabine holen müssen. Schnell hetzen wir hin und finden sie bereits für die nächsten Gäste „gemacht“ vor. Ich vermute stark, dass die Laken nur glatt gezogen wurden 😉
Das Ausschiffen ist wieder abenteuerlich und nun liegen noch anderthalb Stunden bis zu unserem Ziel Calvi vor uns, die wir über Schnellstraßen quer über die Insel zurücklegen. Wir machen erste Begegnungen mit der schönen Landschaft bei strahlendem Sonnenschein und dem autofahrenden Korsen an sich. Um 16 Uhr erreichen wir Calvi und unsere Ferienanlage „Les Résidences Pinéa“. Nach der Ankunft in unserer Wohnung und dem Auspacken der Klamotten wird erst einmal der Strand gecheckt.
Endlich ab ins Mittelmeer, meiner Lieblingsbadewanne! Zwischen Wasser und Lufttemperatur ist kaum ein Unterschied festzustellen. Beim Schnorcheln an den Wellenbrechern beobachten wir ein paar Fische und sind jetzt schon begeistert. Wenn wir wüssten! Man muss dazu sagen: Die Schnorchel/Taucherfahrung ist bei uns beiden gleich Null. Unsere „Ausrüstung“ entstammt der Spielzeugabteilung eines Kölner Supermarkts und kostete 9,50 EUR. Aber funktioniert! Nach einer Dusche geht es in das uns empfohlene Open-Air-Restaurant des nahen „Camping International“. Gute Empfehlung – lecker Grillteller. Und lecker Pietra, ein korsisches Bier, das mit Kastanienmehl gebraut wird. Hat Anklänge von Kölsch UND Pils mit einem ineressanten, undefinierbarem Unterton. Aber das nur für die Bierkenner unter uns. Gegen Mitternacht fallen wir todmüde ins Bett.
TAG 2 / CALVI
13.09.10
Morgens werde ich mit einem schönen Geburtstagsfrühstück auf dem Balkon geweckt (Törtchäään!) Dazu blinkt das Meer so türkis durch die Pinien zu uns rauf, dass ein Vormittagsbad sein muss. Natürlich nicht ohne Schnorchel. Wir sehen jede Menge verschiedene Fische und geben ihnen in Ermangelung jeglicher Kenntnisse Namen wie „Sandfresser“, „Aquariumfisch“ oder „Steinbeißerwelsdings“. Aber Seeigel erkennen wir, jahaa! Nach einer Siesta (nicht lachen, das ist hier so üblich, außerdem war die Fahrt sehr lang) spazieren wir über die Schienen der kleinen Strandeisenbahn, die die Strände und Orte der oberen Westküste verbindet, nach Calvi hinein. Am Hafen gönne ich mir erst einmal ein Geburtsags-Eis und bewundere die fettesten Yachten, die ich je gesehen habe. Hier pflegt anscheinend einiges an Geldadel anzulegen. Anschließend erklimmen wir die Zitadelle und ihre Gassen. Eine imposante alte Wehranlage mit einem kleinen sakralen Museum, einer Kathedrale, tollen Aussichten und alten Häusern.
Auch die Ruinen des Geburtshauses von Christoph Columbus höchstpersönlich sind hier zu finden. Da muss man aber nicht so viel drauf geben, denn es existieren ganze fünf Städte in Europa, die den Titel „Columbus Geburtsstadt“ für sich beanspruchen. Immerhin, mit Genua und Calvi waren wir innerhalb von zwei Tagen in zwei von ihnen. Die beiden Hauptstraßen von Calvi präsentieren sich sehr mediterran, also sehr wuselig, chaotisch, teilweise leicht abgerockt aber gerade deswegen sympathisch. Natürlich fehlen auch die üblichen Tourigeschäfte nicht. Dafür hält sich das Verhältnis von Einheimischen und Touris unserer Meinung nach die Waage.
Nach etwa drei Stunden schlendern wir über den Strand zurück zur Wohnung und sehen mächtige Wolken, die sich über den Bergen rund um Calvi zusammenbrauen. Nach einem weiteren kurzen Nickerchen (die Fahrt, die Fahrt) beobachte ich vom Balkon aus ein krasses Gewitter, dass nur rund um die Berggipfel stattfindet. Über mir ist der Himmel sternenklar. Ein paar Versuche, die Gewitterstimmung im Foto festzuhalten scheitern ziemlich kläglich. Abendessen wieder im Campingrestaurant mit Blitz, Donner und Sternenhimmel bei 20 Grad. Zur Feier des Tages gönnen wir uns ein Menu und lernen neben korsischem Wein und Pietra-Bier auch den Jägermeister der Insel kennen – das „Eau de Vie“ („Wasser des Lebens“). Lecker, macht aber trotzdem müde. Wieder relativ früh, dafür leicht angebrütet, wanken wir in die Heia.
TAG 3 / BALAGNE (PIGNA), I’LLE ROUSSE
14.09.10
Noch etwas lädiert vom Vorabend haben wir länger geschlafen und brechen erst gegen Mittag in das „Balagne“ genannte Hinterland von Calvi auf. In der bergigen Region gibt es ersten Feindkontakt mit den kleinen „D“-Straßen, die mir noch sehr gut aus dem letztjährigen Südfrankreich-Urlaub in Erinnerung sind. Allerdings waren wir damals ja mit einem Wohnmobil unterwegs, wird also schon nicht so schlimm sein hier. Denkste. Die Sträßchen sind oft nur breit genug für ein bis anderthalb Autos und winden sich wie eine endlose Darmschlinge. Addiert man hierzu korsische Autofahrer …
Nicht weit von Calvi entfernt liegt der Ort Lumio. Dort wohnt im übrigen der Vater von Model und Schauspielerin Laetitia Casta, die somit auch einige Zeit ihres Lebens in dem Ort verbracht hat bzw. verbringt. Aber auf die gute Laetitia komme ich später nochmal zu sprechen. Ab Lumio folgen wir der D71 und biegen hinter Cateri ab auf die D151 in Richtung Pigna, einem „Künstlerdorf“ in den Bergen. Zwischendurch bieten sich auf der Fahrt immer wieder atemberaubende Ausblicke auf die Welt aus Bergen und Meer. Allerdings meistens für die Beifahrerin, weil man sich als Fahrer höllisch konzentrieren muss. Wir machen dennoch einige skurrile Entdeckungen am Straßenrand. Da kann einem auch schon mal der halb verweste borstige Anzug eines geschlachteten Wildschweins begegnen, der einen über einem Zaun direkt an der Straße hängend angrinst.
Auch interessant: Manche Dorffriedhöfe in den Höhendörfern scheinen zu klein geworden zu sein. Denn direkt gegenüber von Gottesäckern, oder auch einfach mal so hin und wieder an der Straße, finden sich Gräber bzw. kleine Gruften am Rand. Wie wir später lernen, dürfen die Korsen ihre Toten dort beerdigen, wo sie möchten, wenn es ihr Grund und Boden ist. Für die Hinterbliebenen sicherlich komfortabel in der Pflege weil gut erreichbar und die Toten haben meist eine tolle Aussicht. Pigna präsentiert sich als sehr pittoreskes, urtümliches Bergdorf mit leichtem Hippie-Charme und ähnelt einer Stein gewordenen Kommune. An jeder Ecke der verwinkelten Gassen gibt es Menschen, die entweder Nippes, als Kunst deklarierten Nippes oder wirkliche Kunst an und in ihren Häusern verkaufen. Beim Auf- und Ab durch die Sträßchen entdecken wir das „A Casarella“ Café. Die „Terrasse“, mit selbst bemalten Lampions verziert und aus einfachem Holzknüppeln gebaut, bietet einen unvergleichlichen Ausblick und ist das (viele) Geld für den selbstgebackenen Kuchen und den leckeren Cafe des Etablissements mehr als wert.
Nach etwa einer Stunde Bummeln brechen wir auf und fahren zurück an die Küste nach L’ile Rousse. Hier bietet sich ein ähnlicher Anblick wie in Calvi, allerdings geht es hier etwas ruhiger zur Sache. Das Städtchen wird laut Reiseführer sehr gerne von deutsche Touristen frequentiert und soll der wärmste und sonnigste Flecken Korsikas im Jahresmittel sein. Highlight ist nicht die touristisch geprägte Innenstadt, sondern die Île de la Pietra links neben dem Fährhafen.
Dort sehen wir unseren ersten alleine vor sich hinstehenden Genueserturm. Die alten Beobachtungs- und Wehrtürme aus der Herrschaft Genuas über Korsika (1300-1755) prägten einst das Bild der gesamten Küste und wurden immer in Sichtweite des nächsten erbaut. Heute stehen noch über 60 davon. Die sanft ansteigende Halbinsel hat aber nicht nur einen Genueserturm zu bieten. Ganz oben auf der Spitze thront ein kleiner Leuchtturm und generell ist diese Halbinsel gerade im orangen Licht des frühen Abends eine Augenweide, da die Felsen rot leuchten. Auf der Halbinsel nehmen wir noch unseren ersten korsischen Geocache mit. Zurück in Calvi jagen wir einige Vorräte im Supermarkt und gönnen uns noch ein „Sonnenuntergangsbad“ im Meer. Der leichte Wind genügt schon, um ansehnliche Wellen zu produzieren. An den Vortagen war es spiegelglatt und heute rauscht die Brandung amtlich an den Strand. Lecker Grillen auf dem Balkon schließt den Tag ab.
TAG 4 / GALERIA, FANGO-TAL
15.09.10
Nach dem Frühstück satteln wir auf, denn heute steht eine Fahrt in den Süden an. Es soll über Galéria ins Tal des Flusses Fango gehen. Zwei Strecken stehen zur Verfügung: Die D81 am Flughafen Calvis oder die D81b an der Zitadelle des Ortes vorbei. Beide Strecken sind etwa 40 Kilometer lang, dauern aber eine halbe Stunde (D81) oder über eine Stunde (D81b). Eine Strecke (wir wählen hierfür die Hinfahrt) sollte auf jeden Fall über die langsame D81b gehen. Zum einen kommt man so etwa vier Kilometer hinter Calvis Innenstadt an der Auffahrt zur „Notre Dame de la Serra“ vorbei, einer größeren Kapelle mit der namensgebenden Madonna auf einem Fels nebenan.
Sehr schön anzusehen und außerdem hat man dort oben eine herrliche Aussicht über die gesamte Bucht von Calvi. Nachdem wir hier oben noch einen Geocache absolviert haben, biegen wir wieder auf die D81b, die unmittelbar nach der Abzweigung zur Kapelle in Serpetinen galore mündet. Die Strasse ist teilweise wieder nur breit genug für ein großes Auto und alle 50-200 Meter zwingen scharfe Kurven zum langsam fahren. Das ist aber genau der Grund, warum man diese Küstenstraße unbedingt entlang rollen sollte. Herrliche Blicke auf Klippen, Buchten und die umliegenden Berge werden geboten – selbst für den Fahrer.
Hier auf Korsika erleben wir Blautöne in einer Vielfalt, wie wir sie bisher nicht gekannt haben. Diese Straße gilt laut diversen Tipps als eine der schönsten in Korsika und das tut sie nicht umsonst. Immer wieder parken wir in den zum Glück zahlreich vorhanden Haltebuchten, genießen die Aussicht und fotografieren. Gut, manchmal hängen auch mal zwei tote Füchse über eine Brücke oder es gibt eine wilde Müllkippe oder einen Schießstand des Militärs zu sehen. Aber was ist schon perfekt. Im Tal des Fangos angekommen treffen die beiden D81 wieder aufeinander und eine Brücke führt über den Fango. Aber wo isser denn? Nur Steine sind zu sehen, kein Wasser. Fließt der etwa im Sommer nicht? Wir folgen der Straße, die am Flussufer entlang in Richtung Tuarelli führt. Plötzlich kommt an einem Parkplatz die alte, von den Genuesern erbaute Ponte Vecchio in Sicht. Und nu guck, drunter fließ grün und blau schimmernd der Fango. Wie kann sich ein Fluss nur wenige Kilometer vorher so verstecken? Na ja, wahrscheinlich sieht das bei der Schneeschmelze im Frühjahr anders aus hier.
Wir folgen dem Beispiel von ein paar wenigen anderen Menschen, werfen uns in die Bademoden und hüpfen in die Gumpen. So nennt man tiefe Stellen im Fluss, die durch Strudel des Wassers in den Fels gefräst wurden. Haben wir wieder etwas gelernt. Das Wasser hat etwa 23-25°C, ist also so warm wie das Meer und glasklar. Klar wird auch hier geschnorchelt und wir entdecken tatsächlich ein paar Bewohner. Nachdem wir uns an den von der Sonne aufgeheizten Felsen wieder getrocknet haben machen wir uns auf nach Galéria, wo der Fango ins Meer mündet. Aber auch hier versteckt er sich auf den letzten Metern wieder. Unmittelbar, bevor er eigentlich mit der Brandung verschmelzen müsste, versandet der gute Fango. Das Panorama dieses Strands ist trotzdem fast unwirklich. Rechts der leicht angestaute Süßwasserfluss, auf dem Kanus unterwegs sind und links die Brandung des Meers. Dazwischen nur ein Kiesstrand. Wer will, könnte zwischen Süß- und Salzwasserbaden switchen. Wir bleiben länger hier, hier isses schön. Natürlich holen wie uns einen kleinen Sonnenbrand. Abends nochmal grillen, inklusive Sternschnuppen.