TAG 4 / HONGKONG
Mittwoch 04.05.
Riesen-Buddha meets Mega-Seilbahn
Beim Frühstück auf der Terrasse sitzen zu wollen scheint sonderbar zu sein. Das Personal ist irritiert wenn man den Wunsch äußert, deckt aber gerne draußen ein. Aber ja, klimatisiert drinnen sitzen macht schon Sinn, denn weder Temperatur noch Luftfeuchte haben sich geändert. Wir gehen erst noch mal aufs Zimmer um bei angenehmen 22°C den Tag zu planen. Eigentlich stünde eine Wanderung auf Lamma Island, einem der vielen Inselchen Hong Kongs, an. Aber bei dem Wetter? Wir entscheiden uns für Lantau Island und einem Besuch beim großen Tian-Tan Buddha. Mit seinen 34 Metern Höhe und 250 Tonnen ist das Bronzemonster ein ganz schöner Brecher und der größte sitzende Buddha weltweit.
Nach einer guten halben Stunde Fußmarsch zum Pier 6 sind wir schon nass geschwitzt. Die Speed Ferry nach Lantau fährt erst in 20 Minuten, also hängen wir noch etwas am Pier rum. Die Fähre ist auf gefühlte 15 °C runtergekühlt. Wir sind ja schon einiges von Klimaanlagen in den USA und Japan gewöhnt, aber das hier in Hong Kong ist wirklich die Krönung. Alles muss mindestens halb so kalt sein wie draußen. Sind die hier nicht ständig alle erkältet? Aber für „drinnen“ haben wir ja immer unsere Sweatshirts zum überziehen mit. Die Fähre düst wirklich schnell über die Bucht, wir holpern ganz schön über die Wellen. Zarte Gemüter sollten besser die Bahn nehmen, wir aber haben großen Spaß.
Nach einer halben Stunde sind wir da. Eine Anfahrt mit der Bahn und anschließend der Seilbahn soll eine Stunde dauern, nicht eingerechnet die gerne mal ein bis zwei Stunden Wartezeit vor der sehr beliebten und schweineteuren Seilbahn. Am Fähranleger steigt man dagegen gleich in den Bus um, der einen direkt vor das Kloster und den Buddha fährt. ‚N schneller Trip. Dachten wir. Wurden dann aber 45 Minuten halsbrecherische Fahrt über viel zu enge Straßen mit 70 Sachen wo 30 erlaubt sind. Ein Erlebnis für sich und die paar Dollar Kosten allemal wert.
Sabbernde Kühe am Fuße des Buddhas
Endlich ordentlich durchgeschüttelt oben angekommen haut die Hitze wieder rein. Zum Buddha hoch sind es knapp 300 Stufen. Schon von unten ist der Kollege sehr imposant anzusehen. Oben wird man belohnt von einer die schweißnassen Klamotten trocknenden Brise und einer schönen Aussicht aufs Meer. Leider ist es heute sehr diesig, aber der Himmel klart genau über dem Buddha auf und die Sonne brennt auf die Bronze hinab. Wir bleiben mindestens eine halbe Stunde dort oben und freuen uns an der Aussicht und den Skulpturen. Wieder unten setzen wir uns erst mal auf eine Bank und tanken Elektrolyte. Also Cola und Knabberkram. Da hatte eine der heiligen Kühe aber was dagegen, die hier in Scharen sabbernd rumlaufen und genau wissen, dass es bei Touris immer etwas zu holen gibt. Wir flüchten vor den feuchten Kuhnasen und beobachten aus der Ferne andere Touristen, die entweder so flüchten wie wir oder die schleimigen Nüstern tätscheln bevor sie ein Kuh-Selfie mit sich selbst machen.
Wollen wir uns noch den Tempel von innen ….? Och nö, so langsam sind wir Templed-out. Lieber zur Seilbahn schlendern. Der Weg führt durch ein ausschließlich zu touristischen Zwecken angelegtes Retortendorf voller Restaurants und Souvenirshops. Alles glänzt, blitzt und will einem die Hong Kong Dollar aus der Tasche ziehen.
Die Seilbahn ist wirklich teuer, aber man muss ja wieder runter. Außerdem soll es sich lohnen – und beim großen Buddha, das hat es! Die Fahrt dauert locker 20 Minuten und man hat fabelhafte Ausblicke auf Lamma Island und später den kompletten Flughafen. Hat schon was, über grüne Dschungelhügel am Meer vorbei zu schweben, wenn auf der anderen Seite die A380 parallel landet. Toll!
Von der Seilbahn aus kommt man ruck-zuck ins Metrosystem. Schneller als gedacht sind wir wieder in der City und steigen auf der Kowloon-Seite aus. Wir möchten auf den Sky 360, den höchsten Turm der Stadt – beziehungsweise auf dessen Aussichtsterrasse. An der Kasse bleibt uns die Spucke weg: Knapp 40 Euro soll der Spaß kosten! Nein, dann doch nicht. Denn nachher steht noch Pferderennen auf dem Happy Valley Racecourse an und dafür soll auch noch Geld da sein. Also geht es mit der Bahn zur Central Station, wo wir ein wenig Fast Food einwerfen. Heute wird das Restbudget mal geschont. Mit dem DingDing „düsen“ wir dann zum Happy Valley. Außer am Wochenende finden die Rennen nur Mittwochs statt. Die Bahn und irgendwie jedes andere DingDing das wir sehen, ist nicht nur voll, sondern brechend voll. Pferderennen sind Volkssport in Hong Kong – und ein unglaublicher Wirtschaftsfaktor. Die Rennbahn im Happy Valley setzt an einem Tag mehr um, als der gesamte Pferde-Wett-Rennsport in Deutschland in einem Jahr!
Wir kommen nach einer sehr langen und sehr gequetschten Fahrt im letzten Rest Abendrot an. Schon auf der Fahrt bescherte einem das Licht tolle Eindrücke von der City. Leider waren zum Fotografieren kaum die Hände frei, weil sie irgendwo an den Körper gequetscht hingen. Immerhin brauchte man sich im Stehen nirgendwo festzuhalten, so eng war’s. Aber dann … Diese fette beleuchtete Rennbahn mit der unglaublich hohen Tribüne vor der Skyline-Kulisse und dann noch mit dem glühenden Abendrot … das sieht schon toll aus.
Kleines Wettglück und blutende Nüstern
Der Eintritt ist auch hier mit der Octopus-Card (für die Öffis) möglich und kostet 10 Dollar für uns beide. Man kommt unten rein, direkt an der Strecke, an die man quasi bis auf zwei Meter herantreten kann. Es gibt sehr viele Essens- und Trinkbuden – und es herrscht „Französische Woche“ mit französischem Bier, Flammkuchen, Käse und so weiter. Das Gleichgewicht zwischen Hongkongesen und Europäern ist etwa 50/50. Nirgendwo haben wir in der Stadt so viele Westler auf einmal gesehen wie hier. Dementsprechend lustig ist auch das Sprachgemisch. Doch das distinguierte Oxford English totally dominiert unten at the Course.
Für Newbies wie uns werden gratis Zeitungen verteilt, in denen man auf englisch jede Menge über die einzelnen Rennen (insgesamt waren es acht an diesem Abend) und deren Protagonisten, also Ross und Reiter, erfährt. Natürlich auch mit Tipps wer denn die besten Chancen hat. Die Tribünen sind vom Lautsprecherkommentar her in Englisch und Kantonesisch aufgeteilt. An den Infoständen kann man sich dann nochmal genau erklären lassen, wie das mit dem Wetten so abläuft. Eigentlich gar nicht so schwierig. Alle halbe Stunde ab 19 Uhr startet ein Rennen. Die ersten beiden verpassen wir, ab Rennen drei wetten wir bis Rennen sieben mit. Rebekka jedes Mal mit Kleinstbeträgen, ich jedes mal mit Kleinbeträgen (5-10 Euro). Meine persönliche Bilanz: 7 Euro Gewinn 😉
Der Abend hat wirklich Spaß gemacht und zeigt mal eine ganz andere Seite der Stadt. Auch das Bier und die Snacks waren nicht überteuert. Und die Atmosphäre ist einfach großartig – das muss man mal erlebt haben. Nach dem vorletzten Rennen wollten wir gehen, um an der Bahn nicht endlos Schlange stehen zu müssen. Wir schauen uns das letzte Rennen im Gehen direkt an der Strecke an und plötzlich fällt Nummer 10 böse genau auf die Nase. Mit stark blutenden Nüstern wird der Klepper von seinem Jockey ins Ziel geführt. Wir stehen direkt davor. Sofort wird das Pferd mit Planen abgesperrt, wie bei einem Verkehrsunfall. Der Veterinär kommt in einem Jeep angerast. Wir denken (und auch die Briten um uns herum): Okay, jetzt kommt das Bolzenschussgerät. Tschüss Nummer 10. Doch nach fünf Minuten wird das Pferd in den Notarzt-Anhänger gezogen und abtransportiert. Danach wird noch jede Menge Eis vom Rasen gefegt, mit dem sie dem Hottematz sicher die Nase gekühlt haben, und das war’s.
Das DingDing auf dem Heimweg ist zum Glück noch nicht überfüllt und man kann sogar noch sitzen. Obwohl die Leute hinter uns bereits Schlange stehen wie an der Bahn nach einem Heimspiel des 1. FC Köln. Um 23.30 Uhr sind wir im herrlich klimatisierten Hotelzimmer. Draußen sind’s 29 Grad und 100 Prozent Luftfeuchte. Oh, erwähnte ich das schon einmal? Sorry! 😉