Megacity Hongkong – Ein Reisebericht / Tag 2

TAG 2 / HONGKONG
Montag 02.05.

Getrocknete Föten und ’ne Rolex aus Pappe

Schade, die Wolken sind immer noch da. Und sollen auch bleiben, sagt das Internet. Frühstück gibt es auf einer kleinen Terrasse des Hotels im dritten Stock, rundherum umgeben von Hochhäusern. Interessante Aussicht! Und außer Reissuppe und anderen kantonesischen Köstlichkeiten finde ich auch ein wenig Ei und Brot am Hotelbuffet. Nicht nur die Wolken sind immer noch da, auch der Rest des Wetters. Das heißt: die Temperatur liegt bei 30 Grad und die Luftfeuchtigkeit bei 100 Prozent. Das T-Shirt klebt sofort am Körper. Heute gucken wir uns unser Veedel an: Sheung Wan. Ein Spaziergang in unserem Lonely Planet Reiseführer bringt uns die Umgebung rund um unser Hotel innerhalb von drei Stunden nahe.

Hier gibt es Straßen, in denen alle Geschäfte das gleiche Angebot haben. Zum Beispiel Trockenkram. Vom getrockneten Salamander über Reh-Föten (!) bis hin zu diversen Penissen und ganz profanen Vogelnestern gibt es in dieser Straße quasi alles, was über diese Erde kreucht und fleucht – nur eben getrocknet. Was immer man in der Küche oder bei diversen Heilkünsten damit machen will. Dann wiederum gibt es eine Straße mit Läden, in denen man Opfergaben für Tempel kaufen kann. Räucherstäbchen gut und schön, aber man kann den Göttern und den eigenen Toten auch ganz andere Dinge ins Jenseits schicken, in dem man das quasi als Pappmodell im Tempel verbrennt. Erinnert uns ein wenig an Fatima in Portugal. Dort konnte man der Mutter Gottes in einem riesigen Verbrennungsofen zum Beispiel Körperteile in Wachs opfern, und so gezielt um Heilung zu bitten (siehe Reisebericht Portugal 2011).

Altpapiersammler in den Straßen von Sheung Wan

Hier aber bieten die Lädchen Papp-Goldbarren, Papp-Rolex-Uhren, Papp-Girlie Kram, Papp-Handys (neuste Modelle!), Papp-Hunde und Katzen, -Turnschuhe, -Essen, -Modelle von Häusern mit und ohne Swimmingpool und weiß der Geier was zum lustigen Verfeuern an. Dann Ist da noch die Antiquitätenstraße mit Jade, Flohmarkt, Mao-Figuren und anderem Tand.
Der Reiseführer weist uns auf ein kleines, schäbiges Gebäude hin, das von außen eher einer aufgegebenen Baustelle ähnelt. Innen aber verbirgt sich ein kleiner Tempel. Sehr interessant! Im Vorraum quatschen Leute miteinander, trinken Tee, andere gucken TV. Drinnen wird in einer mächtigen Rauchwolke aus Räucherstäbchen gebetet. Draußen und drinnen und sogar im Treppenaufgang hängen ganze Räucher-Spiralen, die lustig vor sich hin qualmen.

Nach der Räucherkammer ins DingDing

Der Man-Mo Tempel an der Hollywood Road ist da noch ein ganz anderes Kaliber. Er ist taoistisch und ehrt den Gott der Literatur (Man) und den des Krieges (Mo). Hier ist ordentlich was gebacken. Die Räucher-Spiralen sind um einiges größer. Wie wir lernen, können sie wochenlang vor sich hin schmurgeln. Hier finden wir auch einen Opfer-Ofen für all die Papp-Gaben an die Toten. Überhaupt qualmt es hier aus jeder Ecke, die zahlreichen, mit dickem Staub überzogenen Ventilatoren kommen da kaum nach. Der Tempel ist von 1847 – undenkbar, wie dick die Luft hier früher ohne Elektrizität gewesen sein muss. Der Altar biegt sich vor Opfergaben inmitten der vielen Betenden. Manche opfern nur ein paar Früchte, andere ein ganzes Mittagessen inklusive Bier.

Kleiner unscheinbarer Tempel am Straßenrand

Völlig durchgeräuchert entdecken wir später auf dem Rückweg eine „German Bakery“ namens „Das Gute“, in der wir einen Mittagssnack erwerben. Damit setzen wir uns auf eine Bank an der Morrison Street und beobachten das Gewusel um uns herum. Das Hotel ist nicht weit entfernt. Wir nehmen kurz eine Mittagsdusche und gehen zurück zur nahen DingDing-Station. Das sind die doppelstöckigen Straßenbahnen, deren Wagen oft noch richtig alt sind und in denen Holz dominiert. Warum sie so heißen, erklärt sich sofort, wenn man sie ankommen hört. Die DingDings fahren ratternd, krachend und quietschend mit nur 40 Km/h ausschließlich auf Hong Kong Island und sind fast immer randvoll. Ein Ticket bewegt sich im Cent-Bereich. Wir nutzen die wiederaufladbare Octopus-Karte, mit der man alle öffentlichen Verkehrsmittel der Stadt bezahlen kann. Ich habe unsere Gesamt-Transportkosten in Hong Kong nicht auf dem Schirm, aber es ist was Öffis angeht definitiv die billigste Stadt, in der ich je war.

Rein ins DingDing und ab dafür

Eine Fahrt mit dem Ding ist an sich schon eine Attraktion – wir haben die Tram dann auch täglich mehrmals genutzt. Kost quasi nix und macht Spaß. Heute, auf unserer ersten Fahrt, bringt sie uns zur Peak-Tram, der steilsten Drahtseilbahn der Welt. Sie führt auf den Peak, eine der höchsten Erhebungen mit sagenhaftem Ausblick über die Stadt. Doch leider ist sie heute gesperrt. Die 1888 erbaute Bergbahn schwächelt und muss repariert werden. Gleich nebenan fahren aber Busse hoch. Mit ihnen dauert die Fahrt allerdings über 20 Minuten, führt dafür aber spektakulär ganz nahe an Abgründen vorbei.

Oben angekommen gibt es eine große Mall mit vielen Restaurants, Geschäften und anderen Verlustigungen wie Museen zu entdecken. Der Ausblick, wegen dem wir eigentlich hier sind, ist so lala. Leider verwehren einem Wolken und Dunst die Sicht bis Kowloon. Rebekka hat die Idee, durch den „Dschungel“ zurück nach unten zu wandern. So bekommen wir noch ein paar nette Ausblicke, sehen viel ungewohnte Vegetation, Riesenameisen, Mega-Raupen und hören tropisch klingelnde Vögel. Der kleine Weg hinab mitten durch den Tropenwald ist wegen der Luftfeuchtigkeit sehr rutschig. Rebekka landet dann auch gleich mal auf dem Hintern. Wenn man vorsichtig geht, dauert der nette Spaziergang eine Stunde. Die Karte dazu gibt es an der Touri-Info am Peak in einem ausgedienten Tramwagen.

Unten brennen die Waden. Wir suchen den nächsten Bus, der in Richtung unseres Hotels führt. Nach einer halben Stunde werden wir fündig. Es ist schon dunkel geworden. Hungrig klappern wir ein paar Restaurants in unserem Viertel ab, entscheiden uns schließlich für einen besseren Imbiß. Ich habe keine Ahnung mehr, was ich gegessen habe, aber der Teller meiner besseren Hälfte ist mir noch in Erinnerung. Krabbensalat wurde bestellt. Kam auch. Auf dem Salat lag allerdings eine große, komplett im Ganzen frittierte Krabbe. Nach dem Happa suchen wir uns noch einen der zahllosen Fußmassage-Läden rund um unser Hotel aus und lassen uns für kleines Geld die müden Beine und Füße durchkneten. Vor vielen Läden und in den Ecken sehen wir jede Menge Obdachlose ihr Nachtlager errichten. Wir kaufen uns wie gestern Abend noch ein eiskaltes Bierchen und setzen uns auf die gleiche Treppe wie gestern, nur sehen wir heute keine spielenden Kakerlaken. Fazit des Tages: Na siehste, Hong Kong, geht doch! Um 1 Uhr nachts hat es immer noch 28 Grad. Zeit für’s klimatisierte Hotelzimmer.

 

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